Südostrajasthan
– Fahrt nach Bundi (Ein Reisebericht):
Bundi
Distrikthauptstadt
Industrie und Handwerk: Zement, Zucker
Transport: Bus, Scooter, Tongas, Handkarren, kein Massentourismus, wenig
Individualreisende
Vielgestaltig ist die Landschaft südöstlich der Aravallis. Hier wechselt
fruchtbares Tafelland oder felsiger Boden mit bewaldeten Hügeln und Tälern
ab. Die Banas- und die Chappanebene sind fruchtbares Land am Fuß der
Aravallis. Weiter östlich findet man Ausläufer des Vindhya-Gebirges und
der Dekkhan-Scholle. An den ganzjährig wasserführenden Flüssen der Region
liegen die wichtigsten Projekte des Staates Rajasthan zur Bewässerung und
Stromerzeugung, allen voran das Chambal-Projekt.
Vom touristischen Standpunkt bietet die Landschaft der Distrikte Bundi und
Kota viele Überraschungen. Nachfolgend beschreiben wir die Städte Bundi
und Chittorgarh sowie die Streckenverbindung Jaipur – Bundi – Chittorgarh
– Udaipur.
Jaipur – Bundi 195 km (via Tonk). Man verläßt Jaipur auf der Sawai Ram
Singh Road in Richtung Flughafen. Vorbei am Rambagh-Palast und dem Stadion
gelangt man nach 3 km zum Flughafen beim Dorf Sanganer. Bis Chatsu (30 km)
ist die Landschaft uninteressant. Hinter dem Ort, der bereits in einer
Inschrift aus dem 11. Jhdt. erwähnt wird, ändert sich das Landschaftsbild.
Der künstlich bewässerte Boden ist sehr fruchtbar. Hier stehen auch Palmen
an den Feldern. Gegen den trockenen Westen Rajasthans wirkt die Landschaft
geradezu tropisch. Hügel ragen vereinzelt aus der 300 m hoch gelegenen
Ebene heraus. Kurz vor der Distrikthaupstadt Tonk (86 km) überqueren wir
den Banas.
Hinter Tonk durchfahren wir einen unfruchtbareren, hügeligen Landstrich.
In Deoli (147 km) trifft man auf den State Highway SH 1.Der kleine Ort mit
seiner Festung über einem See scheint sich seit Jahrhunderten nicht
verändert zu haben. In dieses Gebiet kommen sehr wenige Touristen. Die
Bevölkerung der Südost-Distrikte besteht zu einem Zehntel aus Stämmen
(rural tribes). Auch dies trägt zur Farbigkeit der Städte und Dörfer bei.
Zwischen Deoli und Hindoli (169 km) machen Berge die Strecke wieder
interessanter als den Abschnitt hinter Tonk. Die folgenden zwanzig
Kilometer bieten dann ein eintöniges Bild bis man die Berge, Schluchten
und Paßstraßen um Bundi erreicht. Die Stadt liegt links der Straße in eine
enges, 1,5 km langes Tal eingebettet.
Stadtbild. Das in einer Schlucht gelegene Bundi empfängt den Besucher
nicht wie andere Städte Rajasthans mit feden Neubauten. Aus Richtung
Jaipur kommend, sieht man bereits vom Bus aus den Stadtpalast am Ufer des
Chhotha Talab. Am Stadtrand herrscht ein reger LKW-Verkehr, doch innerhalb
der Stadtmauer, die noch vollständig erhalten ist, stört nicht ein
einziges Auto den Fußgänger.
Es ist bereits spät, als wir in Bundi ankommen, und nun beginnt eine
nervenaufreibende Hotelsuche in der Dunkelheit. Im Dak-Bungalow sagt man
uns, es sei ausgebucht. Im Circuti House mag man keine Touristen
aufnehmen. Zurück zum Dak-Bungalow. Die Zimmer seien zwar erst vom
morgigen Tag an vergeben, aber es sei schon richtig, Fremde dürfe man hier
auch nicht einquartieren. Das desinteressierte Gesicht des Managers widert
uns an. Wir sollen es im Tourist Bungalow versuchen – in Kota. Kein Bus
fährt mehr dorthin. Diese Leute sind aalglatt, haben als Beamte nicht um
ihre Stelle zu fürchten und scheren sich um nichts und niemanden. Wir
geben auf und versuchen es im Dharamshala. Dort versteht man zwar nicht
recht, was wir wollen, ist aber freundlich um uns bemüht. Schließlich
bekommen wir auch ein Zimmer. Bei der Eintragung ins Gästebuch werden wir
nach unserer Kaste gefragt, was wir nach einigem Überlegen mit ,,english“
beantworten.
Dharamshalas sind äußerst bescheiden ausgestattet. Eine Übernachtung
kostet nur wenige Rupien. Um das Geschäft profitabel zu machen, muß jede
noch so kleine Stelle als Schlafplatz genutzt werden können. Toiletten und
Waschgele- genheiten sind daher nur in begrenzter Stückzahl vorhanden und
stets belegt. So suchen die Gäste Abhilfe zu schaffen, indem sie ihre
Notdurft in irgendwelchen Ecken verrichten. Das stört sie nicht weiter,
weil sie doch schon am nächsten Tag abreisen und daheim bald wieder ihre
gewohnte, saubere Umgebung haben. Für die Sauberkeit im Dharamshala wird
am nächsten Morgen ein kleiner Junge sorgen, der seiner Kaste nach duza
bestimmt ist, den Schmutz anderer Leute zu beseitigen. Es lohnt aber
nicht, allzu gründlich zu sein, denn am Mittag kommen bereits die nächsten
Gäste.
Trotz allem sollte man als Reisender einmal ein Dharamshala kennengelernt
haben. Hier lassen sich ohne Mühe Kontakte zur Bevölkerung knüpfen, vor
allem auch zu Leuten aus unteren Kasten, die sonst nicht den Mut haben,
Femde anzusprechen.
Der nächste Tag beginnt mit einem Racheakt. Wir wollen dem Collector unser
Leid mit den durchtriebenen Managern des Dak Bungalows und des Circuit
Houses klagen. Der Collector befindet sich gerade in einer Besprechung mit
seinen untergebenen Beamten, die er uns der Reihe nach vorstellt. Dies sei
der B.S.A. vom A.N., dieser der H.M., des D.O.K.A., der S.I. of U.B. Mit
Titeln, die das Kolonial-system ins Land gebracht haben und die nach
britischer Manier höchst verheißungsvoll auf Buchstabensalat abgekürzt
werden, versucht der Dorfpolitiker bei uns Eindruck zu schinden. Dann
treibt er uns den Schweiß auf die Stirn, als er uns fragt, ob das deutsche
Regierungssystem ähnlich sei. Bei einem Tee, den ein bukkelnder Diener
hereinbringt, erzählen wir von unserem gestrigen Erlebnis. Der Collector
nimmt mich beiseite und rät mir, falls wir noch gern ein Zimmer hätten,
sollten wir dem Manager mit ein paar Rupien nachhelfen. Das war nicht
unsere Absicht.
Damit kann die Stadtbesichtigung beginnen. Durch die Bazarstraßen gelangt
man zum Hindoli Pol, wo der Aufstieg zum Stadtpalast beginnt. Wie auch in
Udaipur handelt es sich hier nicht um einen Bau, der nach einem Plan
fertiggestellt wurde und damit abgeschlossen war, sondern die jeweils
nachfolgenden Herrscher Bundis erweiterten die zuvor bestehenden Gebäude
um Anbauten, die sie nach ihrem eigenen Geschmack ausführen ließen. Von
verschwenderischem Prunk wie in späteren Jahren in Udaipur kann hier nie
die Rede sein. Die Hara-Rajas wußten im Gegenteil sehr wohl, ihren Sinn
für Ästhetik an ihre Nachfolger weiterzugeben. Dies wirkte sich nicht nur
auf die Architektur, sondern vor allem auf die Miniaturmalerei Bundis aus,
die unter der direkten Aufsicht der Maharajas stand. Die Malereien, die zu
den schönsten Indiens zählen, sind im Palast zu besichtigen. Die Schlüssel
zu den Räumen hat ein Verwalter, der leider, da Touristen nur selten
herkommen, keinen Grund sieht, ständig anwesend zu sein.
Am Eingangstor des Palastes vorbei führt rechts ein Weg zum Taragarh-Fort.
Heute sind die höher gelegenen Tore geschlossen, und man kann die Festung,
von der man einen herrlichen Rund-blick hat, nur von Stellen außerhalb der
Stadtmauer über denBerghang erreichen.
Zum See Chhotha Talab gelangt man über die nach Jaipur führende Straße
oder durch die Altstadt. An den See mit Badestellen schließt im Osten ein
kleiner Park an. Der größte Teil der Wasser versorgung Bundis wird nicht
aus diesem See bestritten, sondern aus den Bowries. Hierbei handelt es
sich um Brunnenanlagen mit Torbögen und Reliefs, die schon eine eigene
Sehenswürdigkeit darstellen. Treppen, die so weit in den Brunnen
hinunterführen, daß man selbst in Trockenmonaten den in der Zeit niedrigen
Wasserstand erreichen kann, sind an manchen Bowries so angelegt, daß sie
im Spiel des Sonnenlichtes wie Grafiken des 20. Jhdts. wirken. Die
schönste dieser Anlagen ist der Ranijike-Bowry aus dem 17. Jhdt. Leider
gibt man sich keine Mühe mit der Reinhaltung des Brunnens, der mit
Taubenkot übersät ist. Das ebenfalls stark verschmutzte Wasser wird in
einer Kläranlage hinter dem Bowry gereinigt.
In der Altstadt mieten wir ein Fahrrad, um zu den Sehenswürdigkeiten im
Westen Bundis zu gelangen. Rechts der Straße, die aus Bundi herausführt,
liegt unterhalb eines spitzen Bergkegels ein Stausee mit dem Sukha Mahal.
Frisches Grün mit Palmen und die Berge machen den Sukha Mahal, in dessen
kleinen Räumen gelegentlich Touristen übernachten können, zu einem
reizvollen Aufenthaltsort. Im Schatten von Bäumen fahren wir weiter, am
Seeufer entlang. Am Ende des Sees liegt hinter einer Mauer mit einem
verrosteten Tor versteckt der Charbagh (,,Vier Gärten“). In den
mittlerweile verwilderten Garten befinden sich die Chattris der Herrscher
von Bundi. Die Konstruktionsweise des Charbagh hat der erste Moghulkaiser
Babur nach Indien gebracht.
Weiter westlich an der Straße sieht man rechts einen Teeladen. Von hier
führt ein Weg vorbei an einem Badeplatz zum Jagdschloß Shikar Browg. Zur
Blütezeit Bundis wurden in dem geschmackvoll gestalteten Schloßgarten
Feste gefeiert. In einem abgelegenen Winkel zeigt man uns eine Treppe, die
in unterirdische Gänge führt. Bei Gefahr konnte die Jagdgesellschaft auf
diesem Weg den Palast in Bundi erreichen. Man glaubt außerdem, daß dort
unten noch die Schätze der Maharajas verborgen liegen, doch blieben
Suchtrupps bisher erfolglos.
Ausflüge von
Bundi:
Da die Unterkunftsmöglichkeiten in Bundi recht bescheiden sind und
andererseits Kota ein Tourist Bungalow besitzt, mag man Bundi als
Ausflugsziel von Kota betrachten. Gegen Bundi muß jedoch die
Industriestadt Kota unter touristischen Gesichtspunkten verblassen. Kota,
35 km südwestlich von Bundi, war einst im Besitz der Bhils, die von hier
aus Raubzüge unternahmen. Noch heute ist die wilde Landschaft an den Ufern
des Chambal als Rückzugsgebiet für Räuberbanden gefürchtet. Im 14. Jhdt.
eroberten die Haras von Bundi das Gebiet. Innerhalb der Festungsmauern
errichteten sie einen Palast, in dem die später unabhängigen Kota-Rajas
wohnten. Im Saraswati Bhandar werden Manuskripte mit Miniaturen aus Kota
ausgestellt. Hier fallen vor allem Jagdszenen auf, die bei den Herrschern
sehr beliebt waren. Auf den Hügeln in der Nähe der Stadt sowie auf der
Fahrt nach Bundi sieht man zahlreiche Jagdschlösser.
Am Chambal, dem größten Fluß Rajasthans, begann man 1954 mit dem Bau von
drei Staudämmen mit je einem Elektrizitätswerk sowie Bewässerungskanälen.
An den Kosten und Nutzungsrechten ist zur Hälfte der Nachbarstaat Madhya
Pradesh beteiligt. Am Rana Pratap Pal, einem der Staudämme, wurde ein
Atomkraftwerk errichtet, das doppelt soviel Strom liefert, wie in
Rajasthan zur Zeit verbraucht wird. Wären die notwendigen Zuleitungen
vorhanden, dann könnte das Kraftwerk aus gelastet sein. Der Verdacht liegt
nahe, daß hier nur ein Zeichen für Indiens Macht gesetzt werden sollte.
Das ,,Projekt“, wie man in Indien auch nach der Fertigstellung der Anlagen
sagt, ist wenige Kilometer südwestlich von Kota zu besichtigen. Es hat die
Stadt Kota einer Zeit entrissen, die in Bundi – noch – lebendig ist. |