Laut
den Erhebungen der letzten Volkszählung im Jahre 2011, verfügt
Rajasthan über eine Bevölkerung von ca. 68, 6 Millionen Menschen.
Dabei
eine allgemeingültige Aussage über den Lebensstil zu treffen, ist
gänzlich unmöglich, zumal es aufgrund der langen
Zuwanderungsgeschichte der Provinz, viele verschiedenen Volksgruppen
gibt, die sich deutlich voneinander unterscheiden.
Fest
steht aber, dass Rajasthan dadurch zu Indiens wohl farbenfrohstem
Bundesland wird. Hier vereinen sich Einflüsse unterschiedlichster
Kulturen, Glaubensrichtungen und Lebensnormen, zu einem bunten
Allerlei, das auf den westlichen Besucher oftmals faszinierend und
chaotisch zugleich wirkt.
So
gibt es zum einen die Rajputen, deren ursprüngliche Herkunft von
vielen Sagen umwoben ist und nie ganz geklärt wurde. Sie selbst
sehen sich als die direkten Nachkommen der angesehenen vedischen
Kriegerkaste und damit als reine Arier. In der Tat, beanspruchen Sie
eine Art Elitestellung in der Gesellschaft Rajasthans und haben
trotz ihrer kleinen Population, großen Einfluss und einen
entsprechend hohen Lebensstandard.
Die
Minar stellen den überwiegenden Teil der ländlichen Bevölkerung und
führen somit ein Leben, das anders als das der Rajputen, oftmals von
harter körperlicher Arbeit geprägt ist. Dabei sind es in der Regel
die Frauen die , die meisten Arbeiten verrichten und stundenlang auf
den Feldern arbeiten.
Auf
der Reise über Land, trifft man nach wie vor die Gaduliyar Lohar,
nomadische Handwerker aus der Region Mewar, die ihren Namen den
typischen Ochsenwagen mit Holzscheibenrädern verdanken, der ihnen
als Fahrzeug, Wohnung und Werkstatt dient. Obwohl viele dieser
Wagen heute am Rande der Städte, einen festen, überdachten Standort
haben, gibt es immer noch Gaduliyar Lohar die von Ort zu Ort ziehen
und vornehmlich mit Schmiedearbeiten ihr Geld verdienen.
Die
Bhil, gehören zu den ältesten Völkern Indiens und waren lange Zeit
für Ihre Jagdkünste berühmt und berüchtigt. Noch vor 20 Jahren
waren sie als Räuber im ganzen Land gefürchtet. Heute leben sie,
über Rajasthan verstreut, in einfachen, nur aus einem Raum
bestehenden Behausungen, die sich zu kleinen Dörfern gruppieren, in
denen jeweils eine Sippe zusammenwohnt. Viele arbeiten dabei
außerhalb der Landwirtschaft als Tagelöhner, Wächter und
Holzverkäufer.
Darüber hinaus gibt es noch zahlreiche andere Gruppierungen wie die
Meo und Minas (Minawati) in Alwar, Jaipur, Bharatpur und Dholpur,
die Banjara, die oftmals als Händler und Kunsthandwerker tätig sind,
die nomadischen Kathodi aus der Mewar Region und die Rabaris aus
Marwar, die vornehmlich von der Viehzucht leben. Die Oswals sind
erfolgreiche Händler, während die Jat und Gujar sich der Landarbeit
verschrieben haben.
Des
Weiteren sind knapp 10% der in Rajasthan lebenden Menschen Moslems,
deren Lebensstil sich somit allein schon aus religiösen Gründen
wesentlich von dem der Hindus und Jains unterscheidet.
Regen und Bewässerung
Babur, der erste Moghulkaiser Indiens, war mit dem Traum von einem
Riesenreich aufgewachsen, wie es sein Großvater Timur befehligt
hatte. Als er zu Anfang des 16. Jhdts. aus seinem kleinen Königreich
in Zentralasien fliehen mußte und auf der Suche nach dem sagenhaften
Reich den Norden Indiens eroberte, war er zutiefst enttäuscht von
seiner Beute. Die Inder kannten nicht die paradiesgleichen
Gartenanlagen, sie sorgten sich kaum um die Bewässerung und ergaben
sich ihr Schicksal, das der Monsunregen für sie vorsah. Mit Akribie
verzeichnete und beschrieb Babur die wenigen Brunnenahlagen, die er
auf seinen Reisen durch Indien kennenlernte. Unter dem Moghuleinfluß
wurden später in Indien einige Gärten angelegt, die aber bald schon
wieder sich selbst überlassen wurden und verwilderten oder
vertrockneten.
Noch haute ist die Landwirtschaft abhängig vom Südwestmonsun, dem
großen Regen, dem man jedes Jahr mit Beginn des Monats Juli
entgegensieht. In Nordindien nimmt die Niederschlagsmenge von Ost
nach West ab. Im Westen Rajasthans fallen kaum 150 mm Niederschläge
(Deutschland etwa zehnfache Menge). Da der ausgetrocknete, harte
Wüstenboden die an den wenigen Regentagen fallenden Wassermassen
nicht aufsaugen kann, stürzt das Wasser über das Land hinweg und
reißt dabei die fruchtbare Erdkrume mit sich. Auch in anderen
Regionen fällt ein zuviel an Wasser an zu wenigen Regentagen. Dort
müssen Tankanlagen das Regenwasser auffangen, aus denen im übrigen
Verlauf des Jahres die Wasserversorgung bestritten wird. Hat der
Boden die Fähigkeit, Wasser zu speichern, so werden zumeist
Rabifrüchte angebaut, das sind Winterpflanzen, die wenig Wärme
benötigen. Mit Rabifrüchten, etwa Weizen, Gerste, Kichererbsen oder
Raps, sind die Bauern weitgehend vom Monsun unabhängig. Sie können
jedoch nur dann angebaut werden, wenn der Boden das Regenwasser
gespeichert hat oder Bewässerungsmöglichkeiten vorhanden sind. In
anderen Gegenden muß der Monsunregen direkt genutzt werden. Dazu muß
der Boden über mehrere Monate im Vormonsun, also in der heißesten
Jahreszeit, umgepflügt werden. Zwischen Juni und Juli erfolgt die
Aussaat. Geerntet wird zwischen September (Mais) und Dezember (Sorghumhirse).
Es kommen dabei nur solche Pflanzen in Frage, die viel Wärme
vertragen können, also Hirse, Mais, Erdnüsse, Baumwolle oder
Zuckerrohr. Diese Sommerpflanzen werden Khariffrüchte genannt.
Sofern Bewässerungsmöglichkeiten vorhanden sind, können auf hartem
wie auf weichem Boden beide Ernten, also Sommer und Winterernte,
genutzt werden.
Es dürfte schon nach dieser kurzen Schilderung klar sein, daß in
Rajasthan kaum ein Überschuß produziert werden kann. In den Jahren
nach der Unabhängigkeit hat der Staat daher begonnen,
Bewässerungsanlagen wie Brunnen, Tanks und auch Kanäle zu
subventionieren. Hungerkatastrophen wie in früheren Jahrzehnten sind
seither selten geworden. Dennoch müssen sich die meisten Bauern auf
ihrem kleinen Land mit einer Ernte begnügen, die gerade den
Eigenbedarf deckt.
Viehzucht
In weiten Gebieten Rajasthans, dort wo Boden und Niederschlag kaum
Acherbau erlauben, bildet die Viehzucht den zusätzlichen oder
ausschließlichen Lebensunterhalt der Landbevölkerung. Mit 40 Mio.
Stück Vieh wird nahezu ein Viertel des gesamten Viehbestands Indiens
in Rajasthan gezüchtet.
Kamele, Schafe und Ziegen sind die genügsamsten Tiere. Sie finden
selbst in den trockensten Gebieten Westrajasthan noch ausreichend
Futter. Wasserbüffel und Rinder werden vor allem im Norden in großen
Herden gehalten, sind aber auch im übrigen Rajasthan verbreitet. Die
Schweinezucht spielt im Nordosten eine bedeutende Rolle. Ponies
werden immer seltener. Vor den Tongas, die gegen den Auto-verkehr
mehr und mehr zurücktreten, sieht man fast nur mehr Mulis.
Allerdings erschienen uns auch diese Tiere noch zu empfindsam für
das sorglose Gemüt der meisten Kutscher.
Vor allem Rinder werden aus Rajasthan in andere Bundesstaaten
exportiert, wo sie als Arbeitstiere dringend benötigt werden, wo
aber gleichzeitig nicht genügend Ackerland für den Anbau von
Viehfutter erübrigt werden kann. In Rajasthan selbst finden Kamele,
Rinder und Wasserbüffel als Last- und Arbeitstiere Verwendung.
Gemeinsam mit Schafen und Ziegen produzieren diese Tiere mehr Milch,
als im Land verbracht wird. Der Überschuß wird hauptsächlich zu Ghee
verarbeitet. Käse ist unbekannt. Entsprechend der verschiedenen
Kasten- und Religionsvorschriften kann Fleisch nur bedingt genutzt
werden. Die Mehrzahl der Tiere stirbt eines natürlichen Todes oder
fällt dem Straßen verkehr zum Opfer. Die Kadaver, vor allem die von
Rindern, werden den Aasfressern überlassen. Nur selten werden
Tierhäute zu Leder verarbeitet. Das Abhäuten besorgt eine bestimmte
Kaste der Unberührbaren. Schließlich findet als letztes tierisches
Produkt an der Sonne getrockneter Kot Verwendung als Brennmaterial.
Da vom Land in die Stadt keine geregelte Milchversorgung
stattfindet, halten auch Stadtbewohner häufig Vieh in geringer
Stückzahl. Als Stall dienen zumeist Hinterhöfe. Tagsüber sieht man
die Tiere überall auf den Straßen umherstreunen. Als Abfallverwerter
erfüllen sie einen guten Zweck. Ihre Milch ist dabei jedoch von
minderer Qualität. Gegen diese recht mickrigen Stadtvertreter, aber
auch gegen die in Europa bekannten Tiere sind die Rinder aus
ländlichen Züchtungen außergewöhnlich groß und kräftig. Ihre
Lebenserwartung ist gering, da die Tiere Tag für Tag ins Joch
gespannt werden und an den Kontaktstellen mit dem Holz zunächst
eitrige Geschwüre und schließlich Krebs entwickeln. Ein geruhsameres
Leben fristen die Wasserbüffel, die ohne ihr regelmäßiges Bad kaum
eine Arbeit verrichten. Die wahre Liebe der Viehzüchter Rajasthans
gilt den Kamelen, auf die sie sich zweifellos auch am besten
verstehen.
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