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Die Wirtschaft von Rajasthan (Indien)

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Die Wirtschaft von Rajasthan

Die Wirtschaft Rajasthans basiert zum Großteil immer noch auf dem Anbau und Verkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse. So stehen etwa 20 Millionen Hektar Ackerland, nur rund 42.000 Hektar Gewerbegebiet entgegen,

Dabei werden vor allem Baumwolle, Hülsenfrüchte, Mais, Hirse, Weizen und Gerste kultiviert.

In den Wüstengebieten, in denen Ackerbau auf Grund der Bodenbeschaffenheit und der klimatischen Verhältnisse nur eingeschränkt möglich ist, wird verstärkt auf Viehzucht gesetzt. Neben Schafen und Ziegen, werden hier etwa 80% aller Kamele Indiens gezüchtet und ins ganze Land weiter verkauft.

Ferner verfügt die Provinz über verhältnismäßig reiche Bodenschätze. So werden unter anderem Blei-Zink Erze, Kupfer Marmor, Glimmer, Ton und Gips abgebaut.

Entsprechend haben sich seit Mitte der fünfziger Jahren einige größere Konzerne in Rajasthan niedergelassen bzw etabliert, die diese Erzeugnisse weiterverarbeiten.

Die wichtigsten Industriezweig ist und bleibt jedoch die Textilindustrie mit den Schwerpunkten Wollware und Teppichweberei.

Darüber hinaus gewinnt der Tourismus zunehmend an Bedeutung. Aufgrund seiner reichen Kultur und gut erhaltenden historischen Städten ist Rajasthan bereits eines der Top - Reiseziele Indiens. Eine  aktuelle Studie hat ergeben, dass durch einen einzigen Touristen rund 13 verschiedene Menschen bzw. deren Geschäftszweige profitieren. Es ist somit davon auszugehen , dass diesem Wirtschaftsfaktor auch in Zukunft immer größere Aufmerksamkeit geschenkt wird.
 

Eisen- Bazare von Jaipur in Rajasthan (ein Reisebericht aus dem 80er)

Es gab nur Eisen. Verrostet oder blank. Rohre, Stangen, Blöcke und Platten,. Sauber aufgeschichtet oder planlos durcheinandergewürfelt. Eisen auf Lastwagen, Eisen in Lager -und Verkaufshallen. Auch die Menschen hier setzten Flugrost an. So blieb es Haus für Haus, Straße für Straße. Ausgerechnet hier hatte ich einen entsetzlichen Durst bekommen und wußte verdammt nochmal nicht, warum es in diesem Viertel nur Eisen und nichts zu saufen gab.

Das ist eine meiner frühesten Erinnerungen an eine indische Stadt. Ich traf dergleichen in asiatischen Städten noch häufig an: Viertel mit Eisen, Viertel mit Autoreifen, mit Elektroartikeln oder mit Plastikeimern, und außer dem Eisen, den Autoreifen, Elektroartikeln oder Plastikeimern gab es dort nichts zu kaufen. Dabei hatte jeder Laden oder zumindest jeder zweite einen anderen Besitzer. Was mich verblüffte, war daß man sich gegenseitig keine Konkurrenz zu machen schien. Die Preise & die Qualität war gleich. Hin und wieder habe ich Einheimische gefragt, warum denn das so sei und ob man keinen Konkurrenzkampf kenne. Stets begegnete man mir mit dem gleichen Unverständnis, und was ich herausbrachte, war dann etwa: ,,Yes, this iron centre!“ und dazu ein freundliches, vielleicht auch mitleidiges Lächeln.

Selbstverständlich gibt es in jeder Stadt auch ein Geschäftszentrum, in dem man vielerlei Waren kaufen kann. Jedoch fallen auch dort Unterschiede zu unseren Einkaufsstraße auf. Wir haben uns in zwei Haupt- und einer Nebenstraße Jaipurs Laden für Laden die angebotenen Waren notiert, jeweils von einer Querstraße zur nächsten. Dies war für uns der erste Schritt, die Unterschiede und die Gründe für die Andersartigkeit herauszuarbeiten. Nachfolgend die Notizen mit einigen Randbemerkungen, die sich hauptsächlich auf das Aussehen der Läden beziehen.

Augenfälligstes Merkmal der indischen Geschäftsstraßen blieb das Nebeneinander von Geschäften mit jeweils gleichem Warenangebot. So suchten wir auch zunächst nach dem Grund für dieses so fremd erscheinende Phänomen. Die Annahme lag nahe, daß unter den Händlern tatsächlich kein Konkurrenzkampf in unserem Sinne stattfindet, daß im Gegenteil ein Zusammenhalt untereinander besteht.

Es gibt genügend traditionsreiche Familien, die sich seit Generationen mit dem Vertrieb jeweils einer bestimmten Ware beschäftigen. Hier sind besonders die Marwaris, die sich mittlerweile zu Großindustriellen gemausert haben, sowie die Jainas zu nennen. So bildeten sich Unterkasten, die sich voneinander schieden, obwohl fast alle Händler ehemals zu einer Jati gehörten. Möglicherweise galten ihnen die Kastenviertel einst als Vorbild, gleich und gleich zueinanderzugesellen, jedoch muß es darüber hinaus noch weitere Umstände gegeben haben, die diese Einrichtung von Warenblöcken so beständig machten, daß sie die sich verändernden Marktgegebenheiten überdauern konnte. Wer in einem Lebensmittelladen Schokolade kauft, wird sich nach dem ersten Bissen in die überalterte, schlecht imitierte ,,Cadbury“ fragen, wie lange noch der Laden seinen Mann ernähren soll, mag der Zusammenhalt der Händler noch so groß sein. Aber das Geschäft floriert so gut wie jades andere, das gleich in der Nachbarschaft oder anderswo mit nicht weniger alter ,,Cadbury“ aufwartet. Häufig konnten wir beobachten, wie ein Händler einem anderen mit Waren aushalf, die dieser nicht führte. Der Profit fiel dabei demjenigen zu, der das Geschäft mit dem Kunden abschloß. ,,Wir sind nicht einer des anderen Feind“ sagte uns ein Kaufmann in Jaisalmer. ,,Was ich nicht habe, kaufst Du beim Nachbarn oder er gibt es mir und ich verkaufe. Wer das Geschäft abschließt, ist uns gleich, und wenn einer einen ganzen Monat lang nichts verkauft, dann unterstützen wir anderen ihn.“

Es ist fraglich, ob diese Notlage jemals eintrifft, denn, so erfuhren wir, fast jeder Händler hat einen Nebenerwerb. Zum einen ist hier die Landwirtschaft zu nennen, die außerhalb der Kastenschranken steht und somit für jeden zugänglich ist. Eine zweite Möglichkeit ist das Kreditwesen. Händler und Geldverleiher gehören, wie bereits gesagt, zu einer Kaste, womit den Händlern die Möglichkeit gegeben ist, Kredite zu vergeben, ohne dabei gegen die Kastenvorschriften zu verstoßen. Gegen die Verpflichtung, die zum Lebensunterhalt notwendigen Waren bei ihm zu kaufen, gibt jeder Händlier gern Kredite an finanzschwache Personen auch aus niedrigen Kasten. Durch überhöhte Preise erhält er die Kredite mit einem Zins bis zu 100% zurück, und behält zudem einen festen Kundenstamm. Die Antwort auf unsere anfängliche Frage ist recht einfach: die Händler haben dank der sozialen Umstände einen Konkurrenzkampf untereinander gar nicht nötig, sondern bilden im Gegenteil, gestützt durch den Kastenverband, eine einheitliche Front gegen den Kunden.

Es blieben dennoch eine Reihe von Fragen zu klären. Wie verhielt es sich zum Beispiel mit solchen Waren, die für den Verbraucher nicht lebenswichtig sind? Bücher etwa werden in Jaipur ausschließlich auf der Chaura Raste verkauft. Welche Rolle spielt dort der Nachbar, der ebenfalls Bücher verkauft? Warum außerdem lehnt sich niemand gegen die Macht der Händler auf? Tatsächlich haben wir kaum je Proteste gegen die schlechte Qualität der Waren gehört, die ohne Zweifel aus dem Mangel an Konkurrenzdenken resultiert.

Zunächst fühlten wir uns mit unseren neugewonnenen Erkenntnissen mehr als je zuvor außerhalb des indischen Geschäftslltags stehend. Früher schon hatten wir uns häufig geärgert über das offensichtlich Desinteresse vieler Verkäufer, hatten aber gemeint, sie damit strafen zu können, daß wir nichts bei ihnen kaufen. Heute wissen wir, daß sie ohne Mühe all das, was wir nicht kaufen, zu überhöhten Preisen anderweitig abgeben können. Wie hilflos kommt man sich vor in diesem ungewohnten Element! Wie überflüssig der ohnehin allzu häufig strapazierte Rat, in Indien nichts zu kaufen, bevor man nicht mindestens um die Hälfte des geforderten Preises heruntergehandelt hat! Erfolg hat man damit allenfalls in den Souvenirgeschäften. Im Bazar ist der Ausländer stets Spielball der Händler, und es bleibt ihm nichts, als durch Preisvergleiche nach jenen Händlern zu suchen, die ihre Macht nicht bedenkenlos ausnutzen. Diese wiederum würde man zutiefst beleidigen, wollte man ihre Preise um die Hälfte herunterhandeln. Selbstverständlich spielen in dieses Geschäft mit dem Touristen, das – gutes Gelingen vorausgesetzt – beiderseits viel Fingerspitzengefühl erfordert, eine Menge anderer Hintergründe, die aber an dieser Stelle nicht weiter erläutert werden sollen.

Wie groß die Macht der Händler ist und wie sehr ihr selbst jene Inder unterworfen sind, die nicht auf die Vergabe von Krediten angewiesen sind, soll an einem Beispiel verdeutlicht werden:

Die Händler verkaufen Zucker einheitlich zum Preis von 6 Rupies pro Kilo. Ein Wucherpreis, aber jeder weiß, daß der Zuckerbedarf mehr und mehr die Produktion im Lande übersteigt. Das Wissen um die Knappheit schafft die Bereitschaff, den diktierten Preis zu akzeptieren. In Indien gibt es jedoch staatlich geführte Läden, in denen Waren zum festgesetzten Preis verkauft werden. Also beliefert der Staat, um das Kartell der Händler zu unterbinden, seine Läden mit Zucker, der zum Kilopreis von 3 Rupies angeboten werden soll. Kurzerhand schicken die Händler ihre Aufkäufer in die staatlichen Geschäfte, um sämtliche Lagerbestände zum Preis von 4 Rupies pro Kilo (3 Rs. für den Zucker, 1 Rs. für den Mann hinter dem Tresen) zu übernehmen. Bald darauf gibt es wiederum nur mehr Zucker zum Preis von 6 Rs. pro Kilo. Da der Staat einen Nachweis über die verkaufte Ware verlangt, aus dem hervorgeht, daß es beim Aufkauf der Vorräte mehrere Käufer gegeben hat, werden die Bücher und Quittungen entsprechend gefälscht. Für 33% Schmiergeld kann man das schon machen. Sollte der staatliche Prüfer Bedenken haben, so erhält auch er seinen Anteil, womit alle Beteiligten zufriedengestellt wären – mit Ausnahme des Kunden, der weiterhin Wucherpreise zu zahlen hat.

Dieses Beispiel zeigt, wie sehr der Staat mit seinen Versuchen, das Preisbildungsmonopol der Händler zu unterbinden, noch in den Anfängen steckt. Erfolge lassen sich im Agrarbereich verzeichnen. Hier wurden sogenannt ,,regulated markets“ eingerichtet, wo unter staatlicher Aufsicht die Produkte direkt an lizenzierte Händler versteigert werden. Dieses System garantiert dem Bauern einen angemessenen Erlös, es ermöglicht die Kontrolle und Eichung der Gewichte, schaltet die ehemals so zahlreichen Zwischenhändler aus und schafft zudem für Händler und Erzeuger die Möglichkeit, jederzeit Informationen über ausgenbliche Marktpreise einzuziehen. Industriell gefertigte Waren tragen einen Aufdruck mit dem ,,maximum price“, den die Händler jedoch auch gleichzeitig als den einzig verbindlichen ansehen. Vergeblich wird man die Geschäfte nach Sonderangeboten absuchen. Unter dem Höchstpreis liegende Forderungen bei Industrieprodukten entstehen allenfalls durch Rechenfehler.

Soviel zur Preisregulierung. Die Händler werden ohne Zweifel auch gegen die staatlichen Maßnahmen immer wieder Wege finden, sich zusätzlich Verdienste zu erwirtschaften. Es bleibt damit beim Kunden, sich sein Auskommen mit den Händlern zu suchen.

Johari Bazar
Eine Karikatur in der ,,Times of India“ zeigt zwei unrasierte Straßenhändler auf Decken hinter ihrem Krimskrams. Der eine lugt aus den Seiten einer aufgeschlagenen Zeitung hervor und berichtet dem anderen: ,,Die Stadt plant, die Bürgersteige zu verbreitern. Ich werde all meinen Verwandten und Freunden schreiben und ihnen raten, ihr Geschäft hierher zu verlegen.“

So wenig wie der Karikaturist denke ich in diesem Augenblick an die sozialen Hintergründe, die diese Leute zwingen mögen, mit dem Verkauf ihrer Ware auf die Straße zu gehen. In diesem Augenblick sind die zahllosen Marktschreier nicht mehr als eine exotische Beigabe. ,,Yes, Sir?“ Als ob wir etwas von ihnen wollten! Ein paar Plastikenten, einen silberglänzenden Shiva oder ein Telefon. Telefon? Einen Meter Plastikschlauch, an beiden Enden eine Sprech-/Hörmuschel aus dem gleichen Material. Sie verkaufen auch nützliche Gegenstände wie Messer, Tassen und Schuhe. Die Waren haben wir selten beachtet, die Verkäufer waren dagegen nicht zu übersehen. Sie stellen sich in den Weg. Der durch die vielen Passanten schmal genug geworden ist, und keifen heraus, was sie anzubieten haben. Darein mischen sich Autohupen, trotten Kühe. Es ist wie eine Kirmes, aber selten so hektisch. Der Johari Bazar bringt stets neue Eindrücke. Ein Menschengewimmel, in dem ein Barbier – nicht weniger ruhig als sein Klient – die scharfe Klinge durch den Rasierschaum zieht. Ein Blick in den Spiegel: die Rasur ist was mindestens drei Gaffer bestätigen können.

Der Mann läuft uns in den Weg, ohne sich umzublicken! Und der hier bleibt einfach stehen und hält den Verkehr auf! Und drei Meter weiter bleibe ich stehen, um ein Foto zu machen, aber über mich regt sich niemand auf. Überhaupt sind höchstens wir es, die sich über derlei Vorfalle ärgern. Wir müssen noch viel lernen. Wir kaufen ein paar Apfelsinen. Die auf dem ersten Wagen sind vertrocknet. Der Zweite verlangt zuviel Geld. Hält uns solch tatsächlich für unerfahrene Touristen! Wir kaufen Dritten der aber keine Bananen hat. Zurück zum Zweiten, der es noch immer mit einem Wucherpreis versucht. Sicher sind wir unerfahren, aber nicht blöd. Beim Ersten gibt es gute Bananen, billige Bananen. Was uns immer schon geärgert hat: man kann auf indischen Straßen nirgends sitzen. An einer Seitenstraße liegt der Eingang zum Hawa Mahal. Dort oben kann man ausruhen, Bananen essen und auf Straße hinabblicken. Von oben gesehen, gefällt uns die Stadt gut und meistens gefällt sie uns auch unten, weil es viel zu sehen, zu lernen und zu bedenken gibt.

Auf dem Rückweg fahren wir mit dem Scooter, und die Passanten spritzen vor unserem gemieteten Dreirad zur Seite. Wenn wir morgen wieder herkommen, müssen wir den Scootern Platz machen.

Wie angenehm doch so ein Apfelsinenkauf sein kann, wenn gleich drei Verkaufswagen nebeneinander stehen! Unter den hiesigen Umständen kommt uns das System mit den Warenblöcken gar nicht mehr so dumm vor. Größere Auswahl und Preisvergleich auf einem Fleck.

Mit der Zeit entdeckten wir auch, daß Familien aus Tradition immer schon bei dieser oder jener Händlerfamilie kaufen, ein weiterer Grund, warum das Konkurrenzdenken kaum ausgeprägt ist, denn auch diese Tradition erhält einen Kundenstamm. Interessant ist dabei, daß Hindus bei Hindus, Moslems bei Moslems kaufen und so weiter. Doch sicher war das bei uns etwa mit Katholiken und Protestanten nicht anders.

Eine letzte Überlegung stellten wir im Zusammenhang mit den Warenblöcken an, da uns noch nicht geklärt schien, warum es etwa Blöcke von Buchläden gibt, da doch Buchhändler ihre Kunden weder durch Kredite, noch durch Tradition an sich binden können und außerdem wohl kaum eine Buchhändler-Jati existieren dürfte.

Ein Blick in die Vergangenheit brachte Aufschluß. ,,Hier (in Delhi) wird die kostbare Ware für gewöhnlich in Lagern aufbewahrt, und die Läden sind selten mit teuren oder luxuriös aussehenden Artikeln ausstaffiert. Auf jedes Geschäft, das mit schönen und feinen Kleidern, mit Seide und Gold -oder silbergestreften Stoffen, mit golddurchwirkten Turbanen und Brokaten eine wahre Ausstellung veranstaltet, kommen mindestens 25 Läden, in denen man nichts sieht als Töpfe mit Öl und Butter, Stapel von Körben gefüllt mit Reis, Gerste, Kichererbsen, Weizen und zahllosen Sorten anderen Getreides…“ schreibt F. Bernier um das Jahr 1660. Es läßt sich leicht daraus schließen, daß es zu der Zeit nur wenige Kaufleute gegeben hat, die es sich finanziell leisten konnten, mit teuren Waren zu handeln. Die ärmeren Händler versuchten ihr Glück vor allem mit Grundnahrungsmitteln. So kamen in den Bazaren Hunderte von Händlern zusammen, die alle die gleiche Ware führten.

Erst mit einer größeren Warenvielfalt eröffnete sich den ärmeren Kaufleuten ein breiteres Betätigungsfeld, und so fand man bald, eingestreut in die vielen Getreidehandel, auch Läden mit anderen Artikeln: Messer, Papier, auch erste Souvenirs für die Engländer; was immer man neuerdings zum Leben brauchte. Sicher hätte die Entwicklung den gleichen Verlauf genommen wie in Europa. Ein Kaufmann in Rajasthan erzählte uns jedoch von einem kleinen, aber nicht unwesentlichen Unterschied bei indischen Geschäftspraktiken.

,,Der Kaufmann sah, daß der Nachbar mit den neuen Artikeln gutes Geld machte. Also sagte er sich, daß er ebenfalls umstellen könne. Eine solche Umstellung erfordert reichliche Überlegung und dazu zählt bei uns die Befragung eines Astrologen. Diese Leute erahnen natürlich schnell, was ihre Kunden von ihnen hören möchten, und da es recht wahrscheinlich war, daß das Viertel einen zweiten Händler tragen konnte, der beispielsweise Glas verkaufte, prophezeite der Astrologe gegen eine Gewinnbeteiligung, daß es nur von Vorteil sein könne, einen zweiten Glashandel in der Nachbarschaft zu eröffnen. Ein dritter Laden stellt sich auf gleiche Art bald ein. Der Vierte kalkuliert vielleicht damit, daß er gerade das führt, was die anderen nicht haben. Mittlerweile wurde in der Stadt bekannt, daß man in diesem Viertel Glas kaufen konnte, und wann immer ein Fünfter ebenfalls sein Glück mit Glas versuchen wollte, so mußte er sich, um nicht der Übermacht der anderen vier zu erliegen, schon dort ansiedeln, wo man in der Stadt Glas kauft. Die Befragung von Astrologen vor solchen Entscheidungen ist noch heute üblich.“

Von unserem westlichen Standpunkt erscheinen derlei Überlegungen vielleicht merkwürdig, aber man darf nicht vergessen, daß das System lange genug funktioniert hat und zum Teil auch heute noch sinnvoll ist. Das mangelnde Konkurrenzdenken oder was immer wir als Nachteil empfinden mögen, zeigt sich in Indien erst da als Nachteil, wo Kunden westliche Forderungen stellen. Wo diese Forderungen gestellt werden, da steht auch der Markt im Umbruch. Erinnern wir uns in dem Zusammenhang an unsere Notizen zu Beginn des Berichtes: der Johari Bazar hat ein breiteres Warenangebot als die andere Haupt- oder gar die Nebenstraße. Wie weit diese Veränderungen gehen können, zeigt das Beispiel New Delhi und hier besonders der ,,Palika Bazar“. Hier findet man ein großes Warenangebot, preiswerte Artikel, Qualität je noch Geldbeutel oder Geschmack, in anderen Worten: einen westlichen Markt. Jedoch war man bei diesem Markt, der an der Stelle des alten, ehemals so gemütlichen Indian Coffee House steht, einem Fehler erlegen: der ,,Palika Bazar“ ist kein ,,Bazar“ mehr.

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