Das Rote
Fort
Mit dem Bau der etwa 2 km östlich, ebenfalls am Ufer der
Yamuna gelegenen Festung hatten bereits Akbar und Jahangir
begonnen. Im Jahre 1565 ersetzte Akbar ein altes, aus
Ziegeln gebautes Fort durch eine gewaltige Anlage, deren
Bau acht Jahre in Anspruch nahm. Schutz sollte eine von
zahlreichen Bastionen unterbrochene, in einem Halbkreis
geführte 22 m hohe und 2,5 km lange Mauer mit einem
vorgelagerten 9 m breiten Garben gewähren. Den nördlichen
Teil des Forts nutzt nach wie vor das indische Militär,
wodurch leider auch der Zugang zur Perlmoschee (Moti
Masjid) versperrt ist.
Shah Jahan ließ fast alle Gebäude seiner Vorgänger
einreißen und durch neue, überwiegend mit Marmor
verkleidete Bauten ersetzen. Wie im Roten Fort von Delhi
reihen sich die Privatgemächer entlang der dem Fluss
zugewandten Seite der Festung, und auch sonst weisen beide
Befestigungsanlagen zahlreiche Parallelen auf. Der Zugang
für die Besucher erfolgt heute durch das an der Südseite
gelegene Amar Singh-Tor, das man nach Überqueren des
Wassergrabens betritt. Seinen Namen hat es vom älteren
Bruder des Maharajas von Jodhpur, der 1644 nach einem
Handgemenge anlässlich einer Audienz bei Shah Jahan
zusammen mit seinen Gefolgsleuten erschlagen wurde. Eine
lange Rampe führt vom Torbau hinauf zu den
Gebäudekomplexen. Man erreicht zunächst den von Arkaden
umgebenen Hof der öffentlichen Audienzhalle (Diwan-i-Am).
Das flache Gebäude (70 m x 25 m) ähnelt dem im Fort von
Delhi und besteht wie dieses aus drei Schiffen und neun
Jochen.
In die Ostwand ist eine erhöhte Nische mit drei Bögen
eingelassen, in der der Herrscher sich den Würdenträgerin
zeigte. Dieser Teil ist denn auch mit Marmor verkleidet
und nicht wie der Rest des Baus mit poliertem Alabaster.
Ein interessantes Detail sind die Baluster birnenförmige
Säulen – in der unteren Hälften der Nischenwände. Shah
Jahan hatte sie auf europäischen Illustrationen gesehen,
wo sie gern als dekoratives Element bei der Darstellung
von Herrschern und religiösen Würdenträgerin genutzt
wurden. Er interpretierte sie als Insignien der Macht und
integrierte sie in die Architektur, um seinen
uneingeschränkten Führungsanspruch zu dokumentieren. |
Durch silberne Geländer getrennt, versammelten sich in der
Halle die Würdenträger, streng nach Rang geordnet. Die
niedrigeren Chargen mussten mit den Botengängen in der
rings um den Platz verlaufenden Galerie vorliebnehmen,
wobei jeder Edelmann den ihm zugewiesenen Abschnitt auf
eigene Kosten zu gestalten hatte. Die Folge war eine
lebhafte Konkurrenz unter den Gefolgsleuten, den eigenen
Standplatz möglichst luxuriös mit Brokaten und Teppichen
auszustatten. Den farbenprächtigen Anblick einer
derartigen Hofversammlung hat uns der französische Arzt
Francois Bernier beschrieben, der in der zweiten Hälfte
des 17. Jh. in Delhi im Dienst des Mogulherrschers stand.
Sogar die Frauen des Harems beteiligten sich, unsichtbar
hinter Gittern verborgen, an den Debatten. Vor dem
Diwan-i-Am liegt auf der Rasenfläche nahe der Südostecke
das Grab des britischen Befehlshabers Colvin, der hier
während des Aufstands von 1857 fiel.
Östlich des Diwan-i-Am schließt sich der Machi Bhavan an,
ein an drei Seiten von doppelstöckigen Bogengalerien
umschlossener Hof. Das Zentrum der südlichen Front ist im
oberen Stock als eine Art Pavillon gestaltet, in dem der
goldene Thron des Herrschers seinen Platz gehabt haben
soll. Auffallend auch hier die vier baluster-förmigen
Säulen als Symbole unumschränkter Macht. Vom Machi Bhavan
hat man Zugang zur kleinen, nur zwei Schiffe und drei
Joche aufweisenden Naginamoschee, die dem Herrscher als
Privatmoschee diente, vielleicht aber auch von seinen
Frauen genutzt wurde.
Einmal mehr unterstreichen Balustersäulen dash könighliche
Privilege.
Dies wird auch an dem gekrümmten Dach über dem
Zentralbogen deutlich, das sonst nur noch in den
Privatgemächern anzutreffen ist. Unterhalb der Moschee lag
in einem kleinen abgeschlossenen Hof der Menabasar. Einmal
im Jahr durften hier die sonst im Harem verborgen lebenden
Hofdamen kleine Stände aufbauen und Markt spielen, wobei
die Möglichkeit zu vorsichtigen Kontakten mit den
männlichen Palastbewohnern den eigentlichen Reiz dieses
karnevalartigen Vergnügens ausmachte. Bei einem derartigen
Markt soll Jahangir die wunderschöne Mehrunissa
kennengelernt haben, die später als Nur Jahan (Licht der
Welt) großen Einfluss am Hof ausübte. An der Ostseite des
Gevierts weitet sich das erste Stockwerk zu einer
Plattform mit Blick auf den Fluss. Ein schwarzer
Marmorblock markiert den Thron Jahangirs, versehen mit
einer umlaufenden Inschrift aus dem Jahre 1603, die seine
Thronbesteigung preist. Der Herrscher hat das Prunkstück
aus Allahabad hierher bringen lassen, wo er sich in
Opposition zu seinem Vater Akbar schon zwei Jahre vor dem
Beginn seiner legitimen Regentschaft als Kaiser hatte
ausrufen lassen.
Im Norden wird die Plattform von den königlichen Bädern
begrenzt, im Süden von der privaten Audienzhalle (Diwan-i-Khas).
An den Ecken wird der 22 m lange und 11 m breite
dreischiffige Hallenbau durch Doppelsäulen getragen. Die
Pietra-dura-Arbeiten an den Säulenbasen sind von
außergewöhnlicher Schönheit. Im Innern vergleicht eine
persische Inschrift (1636) in schwarzem Stein den Raum mit
den höchsten Himmeln und den Herrscher mit der Sonne am
Firmament. Die Lobpreisung wurde früher noch mit einer in
Silber und Gold verkleideten Decke unterstrichen, die das
Licht in Strahlenbündeln reflektierte.
Vom Diwan-i-Khas gelangt man in die Privatgemächer des
Mogulherrschers. Im Osten ragt der achteckige Turn
Musamman Burj einer Bastion gleich aus der Festungsmauer
hervor. Hier lagen die Privatgemaecher von Mumtaz Mahal.
Ein Teil des davorliegenden Bodens wurde als Brett für das
Pachisi-Spiel konzipiert, das fälschlicherweise oft mit
dem Schach in Verbindung gebracht wird, aber eher dem
Backgammon ähnelt. Beachtenswert sind die sehr schönen
Einlegearbeiten, der exquisite Brunnen und die
Marmorgitter. Von der umlaufenden Galerie hat man einen
bezaubernden Blick über die Yamuna hinüber zum Taj Mahal.
Hier lässt sich vielleicht nachempfinden, welche Gefühle
Shah Jahan bewegten, der hier von seinem Sohn Aurangzeb
die letzten acht Jahre seines Lebens gefangengehalten
wurde.
Im Süden schliesst sich ein weiterer Hof an, der
Traubengarten (Anguri Bagh), zum Fluss hin von einer
Plattform begrenzt, auf der im Zentrum das Privatgemach (Khas
Mahal) des Herrschers lag. Der exquisit ausgeführte
Marmorbau (23 m x 12 m), der sich zum Hof hin als offene
auf Pfeilern ruhende Halle praesentiert, war Vorbild für
den gleichnamigen Bau im Fort von Delhi. Die Wand zur
Yamuna hin ist als durchbrochenes Gitter ausgeführt –
Kühlung und Aussicht gleichermaßen. Der früher
verwahrloste Garten wurde mittlerweile wieder hergerichtet
und bildet mit seinen Blumenbeeten, den hochgelegten
Marmorpassagen und dem zentralen Wasserbecken ein
gelungenes Ensemble. Links und rechts wird der Khas Mahal
von Gebäuden mit geschwungenen bengalischen Dächern
flankiert, die mit vergoldeten Kupferplatten belegt sind.
Von der Brüstung des nördlichen Pavillons pflegte sich
Shah Jahan jeden Morgen dem unterhalb der Mauern
versammelten Volk zu präsentieren, wobei das von den
goldenen Dächern reflektierte Licht ihn wie in einen
Heiligenschein eingehüllt haben soll. Im südlichen
Pavillon residierte Shah Jahans älteste und von ihm am
meisten geliebte Tochter Jahan Ära, die nach dem Tode von
Mumtaz Mahal als Begum Sahib die Repräsentationspflichten
am Hof übernahm.
Südlich des Anguri Bagh schliesst sich ein weiterer
Hofkomplex an, der den Namen Jahangirs Palast (Jahangiri
Mahal) trägt und den Besucher mit einem völlig anderen
Architekturstil überrascht. Der aus zwei Höfen (76 m x 72
m) bestehende Mehrstöckige Komplex stammt nicht, wie der
Name suggeriert, aus der Zeit Jahangirs, sondern wurde
bereits von Akbar errichtet. Merkmale sind mit weißem
Marmor aufgelockerte Sandsteinfassaden mit ausgeprägten
Basreliefs. Durch den im Osten liegenden Haupteingang
betritt man einen allseits geschlossenen Innenhof, der an
der Süd – und Nordseite von Pfeilergestützten Hallen
flankiert wird. Auffallend sind die vielen reich
verzierten Sandsteinkonsolen, die die vorspringenden
Dächer tragen und die unechten Bögen in Hindutradition.
Man sollte nicht versäumen, einen Blick in die nördliche
Halle zu werfen, wo schräg geführte schlangenförmige
Träger das breite Flachdach stützen. Sie haben ihren
Ursprung in der Jainarchitektur Gujarats, fanden später
aber auch in Gwalior und sogar Bengalen Verwendung.
Die an den Stutzen aus dem feinen Sandstein
herausgearbeiteten, arabesk verschlungenen Pflanzenmotive
sind hingegen persischen Ursprungs, ebenso die
keilbogenförmigen Portalnischen, die im angrenzenden
östlichen Hof den Zugang zu den Räumen bilden. Vor dem
Palast steht ein riesiger Steinbehälter, den Jahangir zur
Aufbewahrung von Reisspenden anlässlich des Ursfestes 1611
hat anfertigen lassen. Von hier aus sind es nur wenige
Schritte bis zur breiten, zum Ausgang hinauffahrenden
Rampe. |