13 Kilometer von Alwar
entfernt liegt der lauschige Siliserh-See, der einst
über einen Aquädukt die Gärten der Stadt bewässerte.
Ein malerischer Wasserpalast lädt zu beschaulichen
Abenden am dunklen See ein, in dem sich nach
Sonnenuntergang die Konturen der umliegenden Hügel
verlieren. Die Vögel lassen sich am besten in den
frühen Morgenstunden oder am Abend beobachten.
Alwar ist eine Stadt voller Paläste, Gärten und
Museen, über die sich die Festungsanlage Bala Qila auf
einem steilen Felsrücken erhebt. Die Zufahrt nach Bala
Qila ist nur mit dem Jeep über einen holprigen Weg und
nur mit der besonderen Genehmigung des Polizeichefs
von Alwar möglich. (Er hat sein Büro im Alwar City
Palace und wird Ihnen gerne die Besuchererlaubnis
erteilen.) Auf dem Weg zur Festungsanlage liegt die
Ruinenstadt Ravana Devra verlassen am Fuße des
Höhenrückens.
Der prächtige Stadtpalast markiert das Zentrum der
Altstadt. In dem Gebäude sind heute die Büros der
Distriktverwaltung von Alwar untergebracht. Einige
Palastbereiche, wie etwa die Durbar-Halle, können mit
einer Besuchererlaubnis besichtigt werden. Die
Extravaganz der früheren Herrscher von Alwar zeigt
sich vor allem im Museum im obersten Stockwerk des
Palastes. Unter den Ausstellungsstücken finden sich
seltene Handschriften, Waffen, Ministurmalereien und
wertvolle Kunstgegenstände.
Das Stadtpalast-Museum gibt einen herrlichen Blick auf
das Moosi Maharani ki Chhatri frei, ein Ehrengrabmal,
das als Meisterwerk der indo-islamischen Baukunst
gilt. Die Gedenkstätte trägt den Namen der Frau eines
früheren Herrschers, die hier das sati vollzog, d.h.
sich nach dem Tode ihres Gemahls verbrannte. Vinay
Vilas Mahal und Company Bagh zählen zu den schönsten
Gärten Alwars. Beide Parkanlagen erhielten früher ihr
Wasser über den Siliserh-Aquädukt, der jetzt leider
völlig dem Verfall preisgegeben ist.
Sehenswert sind auch der alte Bahnhof und Gateh Jung
Gumbad mit ihrem herrlichen Maßwerk. Der
Vijay-Mandir-Palast war die Residenz der ersten
Prinzen von Alwar. Er gibt interessante Einblicke in
das Leben seiner blaublütigen Bewohner.
Am Stadtausgang an der Straße nach Jaipur erhebt sich
die Moti-Doongri-Festung. die von Jai Singh, dem
exzentrischen, aber in Alwar sehr beliebten Herrscher,
erbaut wurde.
Festungsmauern in Alwar (Reisebericht)
Exotik nenne ich das tägliche, oft genug steinharte
Brot derer, denen ich selbst Fremder bin. Exotik, so
lerne ich in der Fremde, beflügelt meine Phantasie.
Die alte Festung im Rücken, saß ich auf dem Hügel über
der Stadt und ließ meine herabbaumeln. Daheim hätte
ich sicher nichts Außergewöhnliches erwartet, hätte
die Aussicht genossen und schließlich den Rückweg
angetreten, so wie ich gekommen war. Hier jedoch saß
ich auf einem indischen Hügel, war umgeben von
indischem Alltag, von dem also, was ich Exotik nenne.
Die lässig herabbaumelnden Beine gaben meinem Äußeren
das, was meine innere Erwartung nicht teilen konnte.
So war ich nicht erschrocken, als ich plötzlich hinter
mit eine kräftige Stimme hörte.
Was er gesagt habe, fragte ich den Soldaten, der da in
englischer Sprache mit starkem indischen Akzent gerade
so auf mich eingeredet hatte, als wäre ich seit langem
mit ihm vertraut gewesen. ,,Sprichst Du kein
Englisch?“ fauchte er mich an. Er war darüber
verärgert, daß ich ihm nicht gleich meine volle
Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Er wiederholte.
Abermals bereitete es mir Mühe, vollständig zu
verstehen, was ungefähr heißen mußte: wie kann es
sein, daß der Mensch hier sitzt und die Natur, die
Stadt, all das sieht und begreift? - ? Hätte ich ihm
wort für Wort folgen können, so wäre mir das Gesagte
sicher nicht weniger sinnlos erschienen als diese
Bruchstücke. ,,Stimmt!“ antwortete ich, um mir ein
wenig Zeit zu geben, die Situation auszuloten. Ich
vermochte mich nicht gegen meine eben noch scheinbar
gelangweilte Phantasie zu wehren, die mir verbot, den
Spinner gar nicht zu beachten.
Unser Gespräch ging dann sehr normal weiter, was unter
diesen Umständen heißen soll: der Soldat stellte mir
Fragen über Fragen, stellte sie schneller als ich sie
hätte beantworten können. Ungeduldig und barsch redete
er mit mir, ganz so, als hätte ich ihn angesprochen
und in seinen Überlegungen gestört. ,,Woher kommst
Du?“,,Aus Deutschland.“ Ach, aus Deutschland. Er sei
ein großer Verehrer von Karl Marx. Die nächsten Fragen
hörte ich schon kaum mehr, denn ich stellte mir vor,
wie er dort oben in der Festung ein kleines Kämmerchen
mit Manuskripten, Hand-zetteln, Raubdrucken und
mindestens zwei Hindiausgaben des Marxschen
Gesamtwerkes teilte. Soweit meine Phantasie. Er sprach
dann auch von Hitler als großem Helden und löschte
damit mein sich vervollständigendes Bild von dem
geheimnisvollen Innenleben der Festung.
Ich muß vielleicht noch erwähnen, daß es den
Einheimischen bei Strafe verboten ist, dort
hinaufzugehen. Ich hatte es selbst versucht und war,
da ich keine schriftliche Erlaubnis in Händen hatte,
abgewiesen worden. Daraufhin hatte ich mich hierher
gesetzt, meinen kleinen Triumph feiernd, doch
wenigstens bis zu den Toren der Festung gelangt zu
sein, und gerade begonnen, mir meine Gedanken über das
Mysterium der Festung zu machen, als dieser Soldat mit
seinen stechenden Augen erschien.
Meine Ansicht über Gott wollte er wissen. Was sollte
ich sagen, ohne den Soldaten in irgendeiner Form zu
verletzen? Abermals half er selbst mir aus der Klemme,
in die er mich gebracht hatte. ,,Ich leide“, sagte er.
,,Mein Leiden ist nicht physischer oder ökonomischer
Natur. Ich leide psychisch.“– Sagt er’ selbst! Er ist
ein Spinner. Wieder wollte ich meine Phantasie, die
aus der Situation ein großartiges Erlebnis zu ziehen
suchte, mit einer plausiblen, nüchternen Erklärung
besänftigen, die andererseits meine hohe Erwartung an
die exotische Umwelt enttäuscht hätte. Erneut begann
er, von der Natur, der Stadt und von Gott, dem
Schöpfer aller Dinge, zu sprechen. Aber ich verstand
ihn einfach nicht. Er ließ keinen Zweifel daran, daß
Gott sein Schöpfer sei, aber gleichzeitig hieß sein
Problem, ob Gott Schöpfer sei. Ein schizophrenes
Problem, das keine Lösung hat und von dem ich annahm,
daß er es in eher meditativer Methode behandelte, die
weit entfernt von meiner Denkari liegen mußte. Irre
war er also auch nicht.
Ich sollte nicht erfahren, was er eigentlich von mir
wollte. Bevor er ging, fragte ich ihm noch, wieviele
Soldaten denn in dem Fort seien. ,,Mehr als sieben“,
gab er nach einigem Überlegen zur Antwort. Keiner
seiner Sätze war mir rätselhafter erschienen als
dieser. Worüber sie wachen, das konnte oder wollte er
mir nicht sagen. Unten im Ort fragte ich nochmals nach
der Aufgabe der oben stationierten Soldaten.
,,Vielleicht wachen sie darüber, daß niemand auf die
andere Seite des Berges schout“, war die nichtsahnende
Antwort. Jedenfalls seien die Soldaten schon seit dem
Abrücken der Engländer da.
Dino Buzattis Festung in der Tartarenwüste. Ein Tag in
Indien war wie erlebte Literatur.
Beginn einer Rajasthen Reise via Alwar (Ein
Reisebericht aus dem Jahr 1975)
Hinter den Grenzen Rajasthans laufen die Aravallis
unweit ihrer höchsten Erhebung, dem Guru Shikhar (1722
m), in die Ebenen von Gujarat aus.Wir beginnen unsere
Fahrt in Delhi, dem wohl günstigsten Ausgangspunkt für
eine Reise durch Rajasthan.
Delhi – Alwar 164 km (via Gurgaon). Der Interstate Bus
Terminal in Delhi gleicht einem überdimensionalen
Parkhaus, bei dessen Betonwuchs Ästhetik gegen
Funktionalität zurücktritt. Legionen von Rikshaw- und
Scooterfahrern, Verkäufern und Reisenden sorgen jedoch
dafür, daß kein Gefühl von Kälte entsteht. In Indien
lebt alles, wird auch Beton lebendig durch seine
Umwelt. Dieses Leben hinterläßt seine oft zu
aufdringlichen Spuren: den Betelsabber neben dem
Fahrkartenschalter, Abwasserrinnen, beißenden
Holzkohlenqualm aus den Teestuben. Was ist leichter
als dieses Leben zu lieben und seine Spuren zu hassen?
Wir vertreiben uns die Zeit bis zur Abfahrt des Busses
mit einer Unterhaltung über die Provinzialität der
indischen Hauptstadt. Liebenswürdig, zugegeben. Aber
als Hauptstadt? Rückständig einerseits, die Makel der
Moderne andererseits. Kastensystem und
Luftverschmutzung, Lepra und Herzinfarkt. Erst nach
unserer Reise durch die Provinz soll uns Delhis
Fortschrittlichkeit auffallen.
Das Eintreffen des Busses nimmt uns weitere
Überlegungen ab. Wir haben uns geeinigt: kommt der Bus
nach Alwar zuerst, fahren wir nach Alwar, trifft der
nach Bharatpur früher ein, geht’s dorthin. Wir fahren
nach Alwar. In südlicher Richtung geht es durch Staub
und Abgase Delhis. Die Stadt mit ihren weit ins Land
getriebenen Vororten und den allgegenwärtigen Gewühl
scheint endlos. Dann überqueren wir die Staatsgrenze
Haryanas. Entlang der Straße zieht sich das, was
zumindest dem Busfenster nach den trostlosesten
Flecken Erde aussieht: Gurgaon, Sohna, Firozpur.
Baumpflanzungen und Blumenbeete erhellen das sonst
düstere Bild ein wenig.
Jene kräftigen Gestalten mit aufgedunsenen Gesichtern,
die seit sie in Delhi in den Bus gestiegen sind,
andere Reisende mit spöttischen Bemerkungen zu
provozieren suchen, sie scheinen uns ein Abbild der
zwar fruchtbaren, gleichzeitig aber
aggressionsgeladenen Ebene zu sein. Wie oft haben wir
in den Zeitungen von Kastenunruhen in Haryana oder
Bihar gelesen, wie ungern erinnere ich mich an den
Teil meiner ersten Indienfahrt, als ich mich bemühte,
mein Auto durch das Menschendickicht von Moradabad,
Patna oder Kanpur zu lenken!
Ebenso gut könnte man von der Spitze eines
Karnevalszuges bis zu dessen Ende fahren. Der Anführer
jener Gruppe sieht uns lange Zeit unverwandt an und
schläft dann ein, um erst kurz vor der Grenze
Rajasthans aufzuwachen und unter Grölen mit seinen
Kumpanen den Bus zu verlassen.
Rajasthan empfängt uns freundlicher. Westlich der
Straße sehen wir erste Hügel der Aravallis. Schon hier
begegnen uns die typischen Merkmale dieses Staates:
Kamele, Lehmdörfer, die roten Tücher der Frauen,
Turbane, Ochsen, die, eine Rampe hinunterlaufend,
Eimer mit Grundwasser aus der Tiefe holen. Am späten
Nachmittag treffen wir in Alwar ein.
Alwar
Distrikthauptstadt
Höhe ü. D. M.: 268m
Industrie und Handwerk: Mineralvorkommen; Töpferwaren
Transport: Bus, Zug; Rikshaw, Scooter, Tongas vom
Massentourismus unberührt.
Tourist Information: Department of Public Relations
nahe dem Company Garden
Stadtbild. Von der hohen Zuwachsrate der Bevölkerung
zeugen die eng gebauten Vororte sowie die Neustadt,
die zwar sauberer, aber nicht minder öde und
gesichtslos wirkt als die anderer indischer Städte.
Ungewohnter ist da schon der Anblick der Schweine, die
in den Rinnsteinen suhlen. Schweine werden in einer
vom Staat geleiteten Farm gezüchtet. Das Fleisch wird
in Alwar verarbeitet und von hier vor allem nach
Südindien geliefert, wo weniger strenge
Essensvorschriften den Verzehr von Schweinefleisch
gestatten. Vom Busbahnhof fahren wir mit der Rikshaw
wie auf dem Präsentierteller zum Hotel. Wir hätten
auch laufen können mit unserem Gepäck, uns durchfragen
zum Hotel. Kaum 10 Minuten später hätte die Geschichte
von zwei rucksackschleppenden, geizigen Ausländern
ihre Runde um die Stadt gemacht. So aber erzählt man
sich allein von zwei Neuankömmlingen. Es kommen nur
wenige Touristen nach Alwar, und so steht jeder Fremde
viel eher noch im Blickpunkt, als dies ohnehin in
Indien der Fall ist. Da wir nicht nochmals den Gaffern
ausgesetzt sein möchten, bleiben wir den Rest des
Tages im Hotel, wo uns ein zwölfjähriger Diener in die
Geheimnisse der Küche Rajasthans einzuführen
versuchte.
Geschichte.
Die Kachwaha-Rajputen, die 1192 von dem Türken Aibak
aus Gwalior vertrieben wurden, siedelten sich im
heutigen Jaipur- und Alwar-Distrikt an. 1771 gründete
Rao Pratap Singh, ein Mitglied die ses Kachwaha-Clans,
den Staat Alwar. Die gleichnamige Stadt wurde erst
1775 erbaut. In den Kriegen gegen die Marathen unter
stützte Alwar die Truppen der Engländer. Als Dank
erkannte Lord Lake 1803 die Unabhängigkeit des Staates
an. Alwar blieb ein eigenständiges Fürstentum, bis es
an 17. März 1948 dem unabhängigen Indien beitrat.
Wegen großer Mineralvorkommen im Alwar-Distrikt wächst
die Einwohnerzahl allein durch Zuwanderer rasch. Alwar
erhält dabei mehr und mehr den Charakter einer
Industriestadt.
,,You want Aloo Matter? “Daß wir etwas wollen, ist
klar. Aber was mag Aloo Matter sein? Unsere fragenden
Gesichter bringen den Jungen auf die Idee, daß wir
vielleicht lieber Matter Paneer hätten. Doch damit
wissen wir ebenso wenig anzufangen. Der Junge stürmt
nach darußen und kehrt fünf Minuten später mit einer
Speisekarte zurück. Noch mehr unbekannte Begriffe. Wir
zeigen auf ein paar Gerichte, er grinst und holt zu
unserer Rettung den Manager. Wir hatten eine
unmögliche Speisenkombination gewählt, eine
Bestellung, die der Diener nicht ohne Protest an die
Küche hätte weitergeben können. Am nächsten Morgen
brechen wir zum Stadtpalast auf. Der Spießrutenlauf
vom Vortag setzt sich in umgekehrter Richtung fort.
Bei unserem Anblick verstummen selbst die
geschwätzigsten Händler, die auf ausgebreiteten
Tüchern oder Teppichen in ihren Geschäften hocken und
mit den Kunden Neuigkeiten austauschen. In den alten
Bezarstraßen lenken uns die Häuser aus dem 18.
Jahrhundert von dem Gedanken ab, selbst Schauobjekt zu
sein. Immer wieder lohnt auch ein Blick in die oberen
Stockwerke. Langes Verweilen ist jedoch kaum möglich,
da ein reger Fahrradverkehr im Altstadtbezirk allzu
häufig zum Ausweichen zwingt. Neben dem Linksfahrgebot
existiert in Indien nur die eine – wenn auch
ungeschriebene – Verkehrsregel, die Lastwagen an den
Anfang und Fußgänger ans Ende der Rangfolge stellt.
Interessant sind dabei die verschiedenen Untergruppen
bzw. die Ausnahmen von dieser Regelung. Der sein
Fahrrad schiebende Fußgänger hat mehr Rechte als ein
,,normaler“ Fußgänger, weniger dagegen als ein
fahrender Radfahrer. Andererseits wird der
standesbewußte Beamte oder Student, auch wenn er
läuft, keinem radfahrenden Arbeiter aus weichen,
selbst wenn sich dieser noch so sehr abstrampelt.
Endlich am Hof des Stadtpalastes, dem Kachcheri,
angelangt, ziehen wir bereits eine beträchtliche Schar
Kinder hinter uns her, die jedoch angesichts des
Kachcheri (Gericht) kehrtmacht. Hier sitzen unter
riesigen Baumkronen die Beamten, die in den im
Stadtpalast untergebrachten Behörden arbeiten, und
halten ihre diversen Teepausen. Abseits davon hocken
Bauern und warten auf die nächsten Büroöffnungszeiten.
Wenn auch die Kulissen andere sind, die Handlung ist
die gleiche wie in deutschen Amtsstuben. Auf dem Weg
zum Museum im obersten Stockwerk des Palastes wird
hier und da ein Blick frei auf Türme von Akten, deren
Inhalt sicher niemandem geläufig ist. Der Stolz des
Museums ist ein 1833 begonnener und 1848
fertiggestellter Gulistan (,,Rosengarten“) des
persischen Dichters Sa’adi sowie eine 24 m lange Rolle
mit einer Abschrift der Bhagavadgita. Die Bibliothek
enthält weitere 7000, zum Teil illustrierte
Manuskripte. Daneben sind noch die Rüstungen und
verzierten Waffen erwähnenswert, die zumeist aus
Persien stammen. Einige davon wurden auch, von Persien
beeinflußt, in Alwar hergestellt. Im ersten Raum des
Museums wird neben allerlei Krimskrams wie einer Büste
aus Sevilla, einem alten Fahrrad und einem
ausgestopften Tiger eine schön gearbeitete Veena, eine
südindische Laute, gezeigt. Der Gesamteindruck des
Museums ist etwa der eines Flohmarktes.
Vom Dach des Palastes hat man einen lohnenden Ausblick
auf die Stadt. Wie auch bei vielen Minaretten hat die
niedrige Brüstung des Daches eine rein optische
Funktion. Hätte man sie höher gezogen, dann hätten die
Verzierungen ihren Reiz verloren. So aber gab man
Schönheit den Vorzug vor Zweckmäßigkeit.
Als seit der Mitte des 18. Jahrhunderts die
Moghulherrschaft mehr und mehr an Kraft verlor,
begannen sich überall im Land lokale Stilrichtungen in
den bildenden Künsten auf der Basis von
Moghulelementen zu entwickeln. Der Stadtpalast von
Alwar aus dem frühen 19. Jahrhundert stellt eine
harmonische Verbindung von Moghul- und
Rajputarchitektur her. Interessant sind in diesem
Zusammenhang auch die bengalischen Dächer der Schreine
am Westufer des Sagars, des Sees hinter dem Palast.
Kaiser Aurangzeb, der letzte große Moghulkaiser und
fanatische Moslem, entließ bei seinem Amtsantritt
sämtliche hinduistischen Künstler von seinem Hof,
darunter auch Architekten aus Bengalen, die die aus
einer Bembuskonstruktion entwickelte Dachform nach
Delhi gebracht hatten. Viele Künstler fanden dann in
den rajputischen Fürstentümern neue Wirkungskreise, so
auch in Alwar.
Der See mit seinen Badeplätzen ist ein geeigneter Ort
für eine Ruhepause während der Stadtbesichtigung. An
der Südseite des Sagars steht ein Marmorchhattri, das
Grabmal des Maharao Bhaktawar Singh (1781 – 1815).
Solche Chhattris, wie sie uns in Rajasthan noch häufig
begegnen, werden, konnten im hinduistischen Indien, wo
die Asche des Verstorbenen dem Fluß übergeben wird,
nur unter dem Einfluß des Islam entstehen. Die
Konstruktion dieser Bauten in Rajasthan ist dabei so
eintönig, daß man sicherlich nach zwei, drei
Beispielen des Interesse an den Chhattris verliert.
Wir werden dennoch im Verlauf der Weiterreise auf
andere Grabmäler hinweisen.
Nordwestlich des Sagars, nur wenige Meter von diesem
entfernt, führt ein gepflasterter Weg zum etwa 200 m
hohen Hügel mit der mittelalterlichen Festung. Eine
Erlaubnis zur Besichtigung der Festung, in der heute
Soldaten stationiert sind, erhält man im Museum. Nur
der erste Teil des Weges, vorbei an einem Badeplatz
und einer Einsiedelei mit einem Tempel bis hin zu
einer Baumgruppe, ist ziemlich steil. Weiter oberhalb
hat man einen ersten Ausblick auf Alwar und den etwa
10 km entfernten Jaisamand-See. Hinter einem
Bheiroschrein beginnt links und rechts vom Weg
Dornengestrüpp. Für den, der keine Erlaubnis zur
Besichtigung der Festung hat, lohnt der weitere
Aufstieg nicht, weil man auch weiter oben keinen
Ausblick auf die Landschaft jenseits des Hügels hat.
Mehr als diese Aussicht bietet die Festung auch nicht.
Ein anderer Spaziergang führt vom Jagdschloß auf dem
der Burg gegenüberliegenden Hügel in nördlicher
Richtung.
Ausflüge. Vorbei an Schulen und Bungalows verläßt man
Alwar auf der Straße nach Jaipur. Bäume und Sträucher
säumen die Straße, die bald an Getreidefeldern am Fuß
von Berghängen entlangführt. Im Bus sitzend, mag man
gar nicht glauben, wie erfrischend hier die Luft
selbst in den Sommermonaten sein kann. Um die
Landschaft richtig genießen zu können, sollte man
zumindest einen Scooter, besser noch ein Fahrrad zu
den Seen von Jaisamand und Siliserh mieten. Der Weg
zum Jaisamand-See zweigt etwa 10 km hinter Alwar links
von der Hauptstraße ab. Etwa einen Kilometer weiter
auf der Straße nach Jaipur führt rechts eine
Schotterstraße nach Siliserh (13 km von Alwar). Der 10
qkm große Siliserh-Stausee ist reich an Fischen, die
jedoch bei zu niedrigem Wasserstand an der
Wasseroberfläche liegend vor sich hin stinken. In den
Wintermonaten findet man am See seltene Vogelarten.
Aber auch in den übrigen Jahreszeiten sieht man in
Siliserh Schmetter-linge und Vögel. Ein ehemaliger
Palast am Seeufer wurde zum ,,State Hotel“ umgebaut.
Eine weniger kostspielige Rast kann man in der
gemütlichen Teestube kurz vor dem See einlegen und
dabei zum Zeitvertreib den Wasserbüffeln beim Bad
zusehen.
Nach Sariska, dem wohl bekanntesten Wildreservat
Rajasthans, sollte man ein Auto mieten (Sariska 35 km
hinter Alwar auf der Straße nach Jaipur). Auch der Bus
nach Jaipur halt am Sariska Palace Hotel, das am
Eingang des Parks steht. Von unberührter Natur darf
man schon angesichts der Straße nicht mehr sprechen,
doch hat die Landschaft innerhalb der Umzäunung des
Naturschutzparks etwas von wilder Romantik bewahrt.
Der 479 qkm
große Sariska-Park wurde 1955 eingerichtet. Er war
einst berühmt wegen seines Bestandes an vierhörnigen
Antilopen, Tigern und Leoparden, doch wurden zumindest
die Raubkatzen durch allzu großen Jagdeifer völlig
ausgerottet. Wer dennoch, den Beteuerungen des
Wildlife Department folgend, im ,,Tiger Tower“ der
Tiger harren will, die da kommen mögen, der soll sich
in den Trockenmonaten März bis Mai auf die Lauer
legen. Der Tiger Tower war mal für nächtliche
Beobachtungen mit Matratzen ausgerüstet. Im Winter
mußte man zudem an Wolldecken denken. Der Nachtbesuch
ist aber leider nicht mehr zugelassen.
In den frühen Morgenstunden und vor Sonnenuntergang
kann man im Jeep Streifzüge unternehmen. Abseits der
asphaltierten Straße, die durch den Park führt, wird
man an den Wasserstellen auf einiges Wild stoßen. Im
Dezember und Januar findet man hier auch Zugvögel aus
Sibirien. Überdies ist der mit Bäumen, Büschen und
sogar Palmen bewachsene Sariska-Park auch
landschaftlich reizvoll, solange man keine zu hohen
Erwartungen stellt, was die Dichte des Baumbestands
anbelangt. Nach weiteren 25 km auf der Strecke nach
Jaipur gelangt man nach Virathnagar, wo Reste des
Stupa von Bairath aus der Maurya-Zeit (320-185 v.
Chr.) erhalten sind. Östlich von Alwar liegen die
Städte Deeg und Bharatpur, die man am besten mit dem
Bus erreicht.
Alwar – Bharatpur 108 km (via Deeg). Unser
mittlerweile liebgewonnener Hotelboy aus Alwar mit
seiner Angewohnheit, den Namen Bharatpur zu einem
kurzen ,,Brrtprr“ zusammenzuziehen und das ,,breakfast“
auf ,,brrkpt“ zu verkürzen, hatte uns noch einige Male
in Verlegenheit gebracht: wann wollte er wissen, ob
wir abreisen, wann ging es um die Bestellung des
Frühstücks? Sagten wir ,,Ja“ und fügten hinzu ,,zwei
Eier mit Toast“, dann war ihm offensichtlich nicht
klar, was die Eier mit Bharatpur zu tun hatten. Heute
wollen wir kein Frühstück, sondern brechen wirklich
nach ,,Brrtprr“ auf. Landschaftlich schön ist zunächst
nur die Strecke zwischen Alwar und der Straßengabelung
nach Delhi. Dahinter verlieren wir die Ausblicke auf
die Berge, und unmerklich fällt die Straße aus dem
Plateau in die Ebene ab. 76 km von Alwar entfernt
liegt Deeg, eine Kleinstadt mit Palästen und
Gartenanlagen aus dem 18. Jhdt. Da häufig Busse
zwischen Deeg und Bharatpur verkehren, läßt sich die
Fahrt nach Bharatpur ohne weiteres in Deeg
unterbrechen. Auch eine Weiterfahrt nach Agra über
Mathura ist von hier möglich.
Hinter Deeg sieht man wieder Hügel, letzte Ausläufer
der Aravallis. Das unkultivierte Land bietet eine
willkommene Abwechslung, nachdem sich die Straße zuvor
kilometerweit an brachliegenden Feldern vorbeizog.
In Bharatpur empfangen uns die Rikshaw -und
Tongafahrer, die sich längst auf den regen
Touristenverkehr eingestellt haben, mit einem ,,Bird
Sanctuary, Mister?“. Zwar sind es vom Busbahnhof zum
Vogelschutzgebiet nur 3 km, aber mit Gepäck wird es
schwierig.
Bharatpur – Jaipur 174 km (via Dausa). Lange Zeit
fahren wir durch uninteressantes Flachland. Erst
hinter Mahwa (60 km) kommen wieder Hügel der Aravallis
is Sich. Nach 123 km erreichen wir Dausa zu einer
Teepause. Solchen Pausen sehen wir meist mit
gemischten Gefühlen entgegen. Einerseits freut sich
die Sitzfläche auf eine Erholung, andererseits werden
wir gerade in den kleinen Orten so eindringlich
bestaunt, daß wir uns im Bus immer noch besser
aufgehoben fühlen. Schließlich gewöhnt man sich aber
ans Begafftwerden, doch läuft die Pause auf nichts
anderes hinaus, als daß man sich im nächsten Laden
wieder zu einem Tee hinsetzt. Auf ein Hupen des
Fahrers springt die gesamte Busmannschaft auf, um sich
in Panik durch die Eingangstür zu quetschen und dort
geduldig auf Nachzügler zu warten. In der Regel stellt
dann noch ein Reisender fest, daß er sich im falschen
Bus befindet. Es ist also ratsam, sich den Klang der
jeweils zuständigen Hupe zu merken.
Nordwestlich von Dausa, jedoch weit abseits der
Straße, bildet der Banganga-Fluß in Regenzeiten zwei
Seen. Hinter dem Ort ist die Landschaft erneut
eintönig. Erst kurz vor Jaipur führt ein Paß zur
Schlucht von Galta, die für viele öde Kilometer
entschädigt. Zwischen den Chhattris und Tempeln
tummeln sich Touristengruppen; die Busse der
Reiseunternehmen verstopfen die enge Straße. Jenseits
der Schlucht beginnen schmutzige Vororte Jaipurs.
Alwar – Jaipur 141 km (via Shahpura). Wer nur wenig
Zeit für Rajasthan zur Verfügung hat, der sollte
gegenüber dem Umweg über Bharatpur diese Strecke nach
Jaipur vorziehen. Sie führt auf ihrer gesamten Länge
durch die Aravalliberge und ist eine der schönsten
Strecken Rajasthans. Dieser Hinweis kann natürlich nur
dann befolgt werden, wenn man nicht beabsichtigt, Agra,
Mathura und Fatehpur Sikri im Nachbarstaat Uttar
Pradesh zu besuchen.
Die Straße führt zunächst vorbei an Jaisamand,
Siliserh und Sariska Hinter Thana Ghazi (42 km)
erreicht man den schönsten Streckenabschnitt. Links
und rechts der Straße sieht man Umzäunungen des
Sariska-Parks. 27 km hinter Virathnagar trifft der
State Highway SH 13 auf den National Highway NH 6 aus
Delhi. Die Straße liegt nun nicht mehr so eng in die
Aravallis eingebettet, doch bleiben die Berge in
Sicht. Hier wird das Land wieder bebaut. Entlang des
Highways stehen Eukalyptusbäume. 128 km hinter Alwar
erreichen wir Amber. (Zu Amber und dem weiteren
Streckenverlauf siehe Jaipur.) |