Die Umgebung von Jodhpur, Rajasthan (Indien)
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Mandor
Bis
zum Bau der Festung von Jodhpur (1459) regierten die
Rathor ihr Reich Marwar vom 9 km nördlich gelegenen
Mandor aus. Aber schon lange vorher hatte hier eine
hochstehende Kultur geblüht. Madavyapura, benannt nach
dem heiligen Mandu, war im 8. Jh. Residenz der
Mandor-Pratihara, die nach dem Zerfall des Guptareichs
zusammen mit vielen anderen lokalen Fürstentümern
entstanden waren. Als die Rajputen sich 1395 hier
etablierten und auf einer kleinen Erhebung eine Festung
anlegten, die heute weitgehend zerfallen ist, war der
Stern der Pratihara bereits lange erloschen. Nur in
einem der vier Rajputenclans, der wohl Verbindungen mit
den ursprünglichen Pratihara gehabt hat, lebte ihr Name
fort.
Relikte der Pratiharaherrschaft über Mandor sind
allerdings nur noch fragmentarisch anhand einiger Funde
im Museum von Jaipur und Jodhpur erhalten. Im nahen
Osian allerdings lässt sich anhand der noch vorhandenen
Tempelanlagen das hohe künstlerische Niveau jener Epoche
ermessen.
Vorübergehend hatte sich in Mandor Maharana Kumbha von
Mewar festgesetzt, der mit Marwar in permanentem Streit
lag und keine Schwierigkeiten hatte, die Stadt zu
erobern. Erst durch Heiratspolitik vermochten Rao Jodha
1453 Mandor zurückzugewinnen, zog aber kurz darauf aus
der strategisch ungünstigen Lage seiner Residenz die
Konsequenz und siedelte nach Jodhpur über. Bis ins 19.
Jh. diente Mandor aber weiterhin als Einäscherungsplatz
(Mahasati) und königliche Gedenkstätte.
Die Sehenswürdigkeiten liegen heute in einer gepflegten
Parkanlage zu Füssen der ehemaligen Festungsanlage.
Rechter Hand treten zunächst die Deval (Chattri) der
früheren Herrscher von Mandor ins Blickfeld, aufgereiht
entlang einer Art Prozessionsstrasse und von einem
Wassergraben gesäumt. Am schönsten ist das auf einer
Plattform liegende, einem Tempel gleichende Kenotaph von
Ajit Singh, zu dem man durch einen Zackenbogen Zutritt
hat. Wendet man sich hinter den Chattris nach links,
erreicht man den Zenana-Bagh, eine Gartenanlage mit
einem kleinem Museum. Zu sehen gibt es die typische
Ahnengalerie, einige recht ansprechende Miniaturen und
interessante, auf das 12. Jh. datierte Skulpturen aus
Kiradu, einem ehemals bedeutenden Tempelkomplex 25 km
nordwestlich der Ortschaft Barmer (nahe der
pakistanischen Grenze), der 1192 Muhammed von Ghur zum
Opfer fiel. Am Ausgang des Gartens wartet der turmartige
unter Ajit Singh entstandene Thamba Mahal mit einigen
gut erhaltenen Reliefs auf.
Wichtigste Sehenswürdigkeit ist jedoch die eigentümlich
Skulpturengalerie „Hall of Heroes“ Dargestellt sind hier
16 aus dem Fels gehauene, mit Gips überzogene und
bemalte Gottheiten und Helden der Geschichte Marwars. So
begegnen wir der schrecklichen Göttin Chamunda, der
schwarzen Kali als Büffeldämonin und dem zum Gott
erhobenen aus dem Tanwarclan stammenden Rajputenheld Ram
Deoji, der noch heute von zahlreichen Gemeinden der
Region verehrt wird. Eine lokale Gottheit ist auch
Pabooji, während Brahma, Sita, Rama und Hanuman sowie
der flötespielende Krishna im Kreis der Gopis
Allgemeingut der hinduistischen Religon sind. Neben der
von Ajit Singh begonnenen und von seinem Nachfolger
Abhay Singh (1724-1749) fertiggestellten Galerie hat ein
kleines, der Göttin Durga geweihtes Heiligtum seinen
Platz, das gern von frisch vermählten Paaren aufgesucht
wird. Durch das Ajit Pol führt der Weg zurück zum
Ausgang.
Osian
Der beschiedene, ca. 60 km nördlich von Jodhpur gelegene
Ort ist eine wahre Schatzkammer früher indischer
Tempelbaukunst. Lange bevor die Reiche von Mewar und
Marwar die Wüste Thar als Rückzugsgebiet vor den
muslimischen Invasoren wählten, blühte hier die Kultur
der Gurjara-Pratihara. Die Gurjara waren im Gefolge des
Hunneneinfalls (6. Jh.) aus Zentralasien nach Nordindien
gelangt und hatten später als Pratihara die Macht über
große Teile Rajasthan ausgeübt, nachdem es ihnen
gelungen war, die ersten Invasionsversuche der Araber,
die sich 712 bereits in der Wüste Sind (heutiges
Pakistan) festgesetzt hatten, abzuwehren. Von Jabalipura
waren sie nach Nordosten gewandert und hatten zu Beginn
des 8. Jh. von ihren Rivalen die Stadt Kanauj erobert
und zur neuen Metropole gemacht. Aber bereits im 9. Jh.
verlagerten sich unter dem Herrscher Mihira Bhoja
(836-852) das Machtzentrum in die Gegend von Gwalior.
Osian wurde für Brahmanen und Jains gleichermaßen eines
der wichtigsten religiösen Zentren dieser Epoche.
Insgesamt haben sich die Reste von 18 Heiligtümern
erhalten, von denen zwölf aus der Zeit um 800 stammen,
die anderen aus dem 11. und 12. Jh. Die Bauwerke liegen
in und um die Siedlung Osian über mehrere km2 verstreut
und zeigen eine lokale Variante des Post-Guptastils, die
sich im 8. Jh. in Westindien entwickelte und den
nordindischen konvexen Tempelturm mit der
Dekorationsfreudigkeit der Post-Guptazeit verband.
Die Kultzellen der frühen Heiligtümern dieser
Stilrichtung wurden vielfach auf einer Plattform
errichtet, wobei ein Grundriß mit fünffach, in drei
Stufen gegliederten Seitenwänden vorherrschte, in die
die Nischen für die Götterbildnisse eingelassen waren.
Umschlossen wurde das Sanktuarium von einem
Ambulatorium. Einige der Tempel wiesen bereits eine
Säulenhalle (Mandapa) auf, alle jedoch einen kleinen,
von zwei Säulen gestützten, nach den Seiten hin offenen
Vorraum (Antarala).
Ein breiter, mit Toranabögen überspannter Treppenaufgang
führt hinauf zum Sachiya-Mata Tempel, der einer
Inkarnation der Göttin Durga geweiht ist. Das Heiligtum
besteht aus mehreren Schreinen, von denen der südliche
mit dem heutigen Hauptmandapa verbundene Suryatempel (8.
Jh.) der kunsthistorisch bedeutendste ist. Bemerkenswert
sind die wellenförmigen Verzierungen der Plattform, vor
allem aber die noch gut erhaltenen Plastiken, etwa das
Ganeshrelief im Zentrum der Südwand oder die Ganga – und
Yamunafiguren als Wächter vor dem Eingang zum Heiligtum.
Einen Blick sollte man vor allem auf die Decke und die
umlaufenden Figurenfriese des leider sehr dunklen
Vorraums werfen. Im Zentrum eine Lotosrosette, umgeben
von ineinander verschlungenen Nagas (Schlangen). Das
Bilderband illustriert die Legende Krishans in
außergewöhnlicher Lebendigkeit. Der noch gut erhaltene
fünfstufige Shikhara (ohne Seitentürmchen) ist eine
gelungene Rekonstruktion, bei der man sich getreu an das
Original gehalten hat. Er führt die Fünffachgliederung
der Seitenwände bis zum Ansatz der Turmbekrönung fort,
wobei der äußere Bogen in jedem Stockwerk ein Kadu
fenster (hufeisenförming) trägt. Zu Füssen des
Tempelbergs liegt im Nordosten umschlossen von modernen
Bauten der Sathyanarayana Tempel, ein bescheidenes, sehr
stark restauriertes Heiligtum mit rechteckigem
Sanktuarium.
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Der im ersten
Viertel des 8. Jh. entstandene Bau ist vor allem wegen
seines allerdings recht stark verwitterten Figurenschmucks
bedeutsam. Der im Drof in einem von Gebäuden und Mauern
umschlossenen Hof liegende, in seinen Ursprüngen noch aus
dem 8. Jh. stammende Mahavihara (großes Kloster) gilt als
frühestes Zeugnis der Jain Architektur im westlichen Teil
Indiens. Im Laufe der Jahrhunderte hat das Heiligtum
allerdings zahlreiche Ergänzungen und Umbauten erfahren
So wurde der
Eingangsbereich unter Verwendung alter Säulen erweitert.
Ursprünglich bestand das Heiligtum aus einer Cella mit
Ambulatorium und Vorraum sowie einer Vorhalle mit von vier
Säulen getragenem Portikus die nunmehr in eine große Halle
einbezogen wurden. Den Toranabogen, der im 11. Jh. als
Eingangsportal errichtet wurde, hat man bei der Erweiterung
an die Ostseite versetzt. Im Allerheiligsten befindet sich
ein sitzendes Kultbild des Mahavira, des 24. und letzten
Furtbereiters, das wahrscheinlich noch aus den Anfängen des
Tempeles stammt. Die vorspringenden Balkone sind mit
Steingittern verkleidet, in den dazwischenliegenden
Wandabschnitessantes finden sich in Höhe der Gitter
Figurennischen, die ein sehr interessantes Licht auf die
Frühe, aus dem 11. Jh. stammende Ikonographie der Jains
werfen, zumal es sich hier um die ältesten noch erhaltenen
Götterdarstellungen in Verbindung mit einem Bauwerk handelt.
Ältere Plastiken waren vornehmlich in den Fels gehauene
Darstellungen, wie man sie beispielsweise in Gwalior oder in
Südindien antrifft.
Im Gegensatz zu späteren Jainheiligtümern (vgl. Mount Abu
oder Kumbhalgarh) nimmt hier die Götterwelt des
brahmanischen Hinduismus noch breiten Raum ein. An der
Rückwand (Süden) links der Totengott Yama, rechts der
vedische Feuergott Agni; an der Ostwand links Indra
(Donner), der eng mit Agni und Surya verbunden war, rechts
Ishana (eine Erscheinung Shivas und Wächter des Nordostens).
An der Westfront links der Wassergott Varuna, rechts
Nirriti, der Gott des Unglücks und Wächter des Südwestens.
An der nördlichen Wand, die heute von neuen Mandapa
überdeckt wird, begegnen uns in den Nischen rechts Vayu, der
vedische Gott des Windes, und links Kubera (Reichtum), der
als einziger keinen vedischen Ursprung hat.
Am
barock anmutenden Toranabogen, der an die Ostwand des
Tempelkomplexes versetzt wurde, sind hingegen Figuren aus
der Jain-religion vertreten, so etwa im oberen Giebelfeld
über dem Architrav, wo ein von Pfauen flankierter Heiliger
an prominenter Stelle seinen Platz hat.
Das Hauptheiligtum wird von kleinen Schreinen umschlossen,
die der Anlage im 12. Jh. hinzugefügt wurden. Die fünffache
Gliederung der Seitenwände der auf einer Plattform liegenden
Kultzelle, die hier keinen Umwandlungsgang aufweist, wurde
nicht nur nach oben im Turm fortgeführt, sondern auch nach
unten bis zur Basis der Plattform. Teilweise ist der von
zwei verzierten Säulen getragene Portikus vor der Cella nach
den Seiten offen, teilweise auch mit einer Brüstung und
Steingittern abgeschlossen. Die Hinzufügung von
Seitenschreinen entwickelte sich ab dem 12. Jh. zu einem
wesentlichen Merkmal Jaintempel, wobei die den Furbereitern
geweihten Kultzellen später in wesentlich verkleinerter Form
aneinandergebaut und Teil der Einfriedung des
Hauptheiligtums wurden.
Ausgesprochen kunstvoll ist die Überdachung der
Eingangshalle. Aus der Mitte eines von acht
halbkuppelförmigen Nischen umgebenen Lotos wächst eine
Kuppel mit zwei Ringen und jeweils 16 zum Scheitelpunkt hin
verlaufenden Rippenbögen, deren untere Enden als
Schlangenkörper gestaltet sind.
Zwei weitere bemerkenswerte Tempel vereinen fünf Schreine
auf einer gemeinsamen Plattform mit dem Hauptheiligtum im
Zentrum und den anderen an den Ecken. Früher einmal waren
die Eckschreine durch eine Brüstung miteinander verbunden.
Heute sind nur noch Teile im Bereich des Mandapa, der wohl
eine spätere Ergänzung darstellt, erhalten, nach der in der
Nische eines dieser Tempel dargestellten Kultfigur tragen
sie den Namen Hari-Hara (gemeinsames Bildnis von Shiva und
Vishnu). Sie liegen etwas außerhalb der Ortschaft zwischen
der nach Jodhpur führenden Strasse und der Eisenbahnlinie in
freiem Gelände. Unmittelbar an der Straße (auf der linken
Seite, wenn man Richtung Jodhpur fährt) steht der Hari-Hara
Tempel Nr. II, ein Stück weiter östlich an der Bahnlinie der
Tempel Nr. I. Der Zentralbau von Hari-Hara Nr. II ruht auf
einer hohen, rechteckigen Plattform mit vier, nur noch
teilweise erhaltenen Nebenschreinen und den Ecken und einer
Treppe an der Westseite. An den Wänden der Plattform sind
überdachte Nischen und Kudufenster, in denen Götterbildnisse
ihren Platz haben, darunter Skanda (Südseite Zentrum),
Buddha (Südseite rechts) sowie Ganesh und Shiva (beiderseits
der Stufen).
An den drei Außenwänden des Heiligtums befinden sich
entsprechend der fünffachen Stufen, jeweils fünf
Figurennischen. Vertreten sind hier u. A. die. Gottheiten
Agni (Südseite rechts), Trivikrama (Zwerginkarnation
Vishnus, Südseite Mitte), Ganesh (links daneben), Hari-Hara
(Ostseite Mitte). Auch die Nebenschreine waren von einem
Figurenfries umgeben, der allerdings nur noch am
nordwestlichen Ende erhalten ist und dort als zentrale Figur
an der Ostseite eine Darstellung von Parvati und Shiva
zeigt, rechts außen Yamuna auf ihrer Schildkröte, links
Ganga.
Die Türumrahmung des zentralen Kultraums ruht gewissermaßen
auf Löwen, hingezogen in fast menschlicher Pose. Darüber als
Wächterfiguren in anmutiger Körperhaltung Ganga und Yamuna,
beschirmt von Lotospflanzen, flankiert von Bediensteten und
Yakshis darüber. Über dem Türsturz reihen sich fünf kleine
säulenflankierte, überdachte Nischen mit Kubera, Brahma mit
Begleiterin, Lakshmi-Narayana, Hara-Gauri und Ganesh (von
links nach rechts). In der Deckenkassette begegnen uns
wieder die wie Tauwerk verschlungenen Nagas, wie sie auch im
Mahaviharatempel anzutreffen sind. Der Figurenschmuck dieses
Tempels gilt als bester in Osian.
Der benachbarte Hari-Hara-Tempel Nr. III ist weniger gut
erhalten. Auch er liegt auf einer hohen Plattform, weist
außer den auch noch Balkone auf. Die Wände des rechteckigen
Sanktuariums sind fünffach gegliedert. Sowohl der später
ergänzte Mandapa als auch das Heiligtum waren mit einem
Pyramidendach abgeschlossen. Der Figurenschmuck in den
Nischen an den Wänden folgt dem ikonographischen Muster der
anderen Bauten. Im Zentrum der Südwand ist Hari-Hara
abgebildet, an der Westseite Trivikrama und an der Nordseite
Narasimha. Ausgesprochen lebendig ist der darüber um das
Sanktuarium laufende, bei vielen Tempeln zu findende
Krishnafries, der das Leben des Gottes illustriert und wie
üblich vom Eingang ausgehend im Uhrzeigersinn gelesen wird.
Gegenüber den beiden Tempeln liegt auf anderen Strassenseite
der kleine, ebenfalls auf hoher Plattform ruhende
Vishnutempel Nr.I, ein einfacher, nach Westen orientierter
Bau (775) mit Cella und Vorhalle. Bei den noch gut
erhaltenen Figuren in den Nischen an der Außenwand des
Heiligtums sind in zentraler Position Narasimha (linke Wand,
Nord), Vishnu (Rueckwand, Ost) und Trivikrama (Rechte Wand,
Süd) zu nennen.
Ein Stück weiter westlich triff man am Ortsrand auf den
großen, bisher nur zum Teil ausgegrabenen Tempeltank (kund).
An drei Seiten war er von sieben Terrassen umschlossen, an
der vierten (Ostseite) lag ein runder Brunnen, flankiert von
zwei teilweise noch erhaltenen Kammern mit schönen Details
an den Säulen und Innenwänden.
Westlich des Tanks liegt inmitten des Wohngebietes ein
Suryatempel, der zweite gebaut im Mitte 8. Jh.. Er ruht
ebenfalls auf einer Plattform und verfügt über einen
komplett erhaltenen Shikhara (10. Jh.). Von den Figuren an
der Außenwand, die in der Qualität nicht ganz an die vom
Hari-Hara II heranreichen, seien Surya (Zentrum Ostwand) und
Ganesh (Zentrum Suedwand) erwähnt. Auch die Türumrahmung des
Sanktuariums ist liebevoll gestaltet. Auffallend ist die
halbrunde als Lotos geformte Eingangsstufe. Im unteren
Rahmen Vasen des Überflusses, links und rechts außen wie
üblich Ganga und Yamuna als Torwächterinnen, an den
Längsseiten des inneren Rahmens ungewöhnlich schmale
weibliche Wächterfiguren und Flussgottheiten. |
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