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Dilwara Tempel - Mount Abu (Rajasthan, Indien)

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Der Dilwara-Tempel

Von kunsthistorischem Interesse sind vor allem die einzigartigen Jaintempel von Dilwara, die Oberst James Tod, Gesandter in Rajasthan und Verfasser der Annals and Antiquities of Rajasthan, Ende letzten Jahrhunderts in einem Atemzug mit dem Taj Mahal nannte. Der von Mauern umschlossene Komplex etwa 6 km nordöstlich der Ortschaft Mt. Abu (Zutritt nur nachmittags, strenges Fotoverbot) besteht aus vier Tempeln unterschiedlichen Datums. Das älteste Heiligtum, der Vimalatempel, der bereits 1032 nach 14-jähriger Bauzeit geweiht wurde, verkörpert den Höhepunkt der Solanki-Architektur, einer durch die gleichnamige Dynastie (765-1197) geförderten lokalen Stilrichtung im westlichen Indien. Kennzeichnend sind neue Konstruktionsprinzipien im Tempelbau, vor allem aber die atemberaubende Weise,

in der sich die Plastik in handwerklich höchster Vollendung barock entfaltet, die hinduistische Götterwelt zum Leben erweckt und in überschwenglicher Erzählfreude die unerschöpfliche Vielfalt der Epen und Mythen an Pfeilern, Kuppeln und Friesen darstellt. Der Adinatha geweihte Tempel wurde von Vimala Shah gestiftet, einem reichen Kaufmann aus Gujarat und Minister unter König Bhima Dev I. Vor Baubeginn mußte er vom lokalen Herrscher Dhara das Grundstück, das vorher Shiva heilig war, erwerben – und zwar indem er die Bodenfläche mit Silbermünzen bedeckte! 14 Jahre lang waren 1500 Künstler und 1200 Arbeiter unter der Aufsicht des damals berühmtesten Architekten Kirthidar damit beschäftigt, dieses Meisterwerk aus dem fast transparent wirkenden weissen Marmor der 20 km entfernten Steinbrüche von Arasoori zu schaffen.

Im Jahre 1311 wurde das Heiligtum, wie auch die anderen Tempel der Anlage, durch Ala-ud-Din Khilji, den Muslimherrscher aus Delhi, erheblich zerstört, dann wieder liebevoll und sachkundig restauriert. Der 33 m lange und 14 m breite Bau besteht aus Sanktuarium, geschlossenem Vorraum, einer vorgelagerten schmalen Säulenhalle, die alle auf einer gemeinsamen Plattform ruhen, und der ebenerdig zwischen Eingang und Cella eingefügte Tanzhalle. Umgeben ist dieser zentrale Bereich von einer etwas erhöht verlaufenden Galerie mit doppelter Säulenstellung und insgesamt 57 in die Wand eingelassenen Zellen, in denen die recht uniformen Figuren der Tirthankaras (Furbereiter) ihren Platz haben. Umso prachtvoller und abwechslungsreicher ist hingegen der Deckenbereich gestaltet. Der Rundgang erfolgt üblicherweise im Uhrzeigersinn entsprechend der Zellennumerierung.

In Zelle 1 befindet sich das Idol des Neminatha, des 22. Tirthankara, der an seinem Hochzeitstag der Welt entsagte und auf dem Mount Girnar als Asket die höchste Stufe der Heiligkeit erlangte. An der Decke sind Lotusblüten, Löwen, Tänzer und Musikanten. Ähnlich gestaltet sind die Eckenrosetten der Schreine, bereichert durch Vögel und Frauen mit Opfergaben. Über der Zelle Nr. 8 predigt ein Acharya, ein Meister. Darüber sind die wichtigsten Momente im Leben eines Furtberiters dargestellt (Geburt, Verzicht, Erlangung der Erkenntnis, Erlösung). Bei Zelle 10 erfährt der Betrachter einige Episoden aus dem Leben Neminathas (Spiel mit Vetter Krishna und den Gopis, das Blasen von Krishnas Muschelhorn, Hochzeitszug und Erlangung der Erkenntnis). Über Zelle 11 findet sich eine schöne Darstellung einer vierzehnarmigen Göttin. In der Ecke, zwischen den Zellen 22 und 23, hat ein Bildnis von Adinatha, dem ersten Furthreiter, seinen Platz. Der Tempelstifter selbst soll es, geleitet durch einen Traum, gefunden und dann hier aufgestellt haben. Besondere Beachtung verdienen die Arbeiten über Zelle 32.

Im Zentrum besiegt Krishna den Schlangendemon Kaliya, umgeben von einigen Schlangenköniginnen. Oben spielt er mit seinem Bruder Ball. Bei den Nummern 42 unten liegt er bewußtlos im Schlangenpfuhl. Bei den Nummern 42 und 43 steht die Gottheit Lakshmi im Mittelpunkt, begleitet von weiteren Göttern wie Indra, Varuna, Yama und Kubera. Um die Lotusblüte bei Zelle 44 reihen sich die Göttinnen Saravasti, Lakshmi und Kali mit ihren Reittieren (Vahana). Bei Nummer 49 begegnet uns im Zentrum des Lotus der Mannlöwe (Narasimha), die vierte Inkarnation Vishnus, der den Dämon Hiranyakashipu mit seinen Klauen tötet. Wir sind nun wieder am Eingang und treten unter die große flache Kuppel der von zwölf kunstvoll ornamentierten Säulen gestützten Tanzhalle. Sie entstand erst im 12. Jh. und wurde nur mit einer flachen, relative leichten Kragkuppel abgedeckt, um so einen größeren Säulenabstand zu ermöglichen. Um die einzelnen Ringe verlaufen Friesen mit Gänsen (Brahma und seine Gefährtin Sarasvati haben eine Gans als Begleittier), Elefanten (einige halten mit den Rüsseln Menschen umschlungen), Schwänen und Reitern, die Speichen tragen die 16 Göttinnen der Weisheit. Die Säulen sind mehrfach waagerecht gegliedert und durch geschwungene ornamentierte Bögen verbunden. Den Eingang zum Heiligtum, zu dem der Zutritt für Nichtgläubige untersagt ist, bewachen zwei Figuren von Parshvanatha, dem Propheten der Jains.

Vor dem Tempel liegt die eigenartig wirkende Säulenhalle Hastishala, die ein Abkömmling des Vimala Shah Mitte des 12. Jh. als Denkmal für seine Familie erbaut hatte. In drei Reihen wurden hier Elefanten aus Marmor aufgestellt. Sie sind jedoch ebenso wie die Statue des Stifters Vimala Shah von den muslimischen Turppen im Jahr 1311 stark beschädigt worden.
Stilistisch ganz ähnlich, jedoch 200 Jahre jünger ist der etwas höher liegende Tejapala oder Luna Vasahi-Tempel. Er wurde von den Brüdern Vastupal und Tejapal, einflußreichen und vermögenden Ministern unter Raja Bhima Dev II. von Gujarat, in Gedenken an ihren Bruder Luna im Jahre 1230 gestiftet und Neminatha geweiht.

Auch dieses Heiligtum wurde Opfer des muslimischen Überfalls von 1311 und erhielt erst 1321 eine neue Kultfigur. Wieder begegnet uns die überbordende Vielfalt plastischer Gestaltung; teilweise wirkt sie in ihrer spätbarocken Ausprägung jedoch etwas überladen, obwohl die einzelnen Arbeiten wunderbar sind. Der rings um den Hof laufende Säulengang weist 52 den Fortbereitern und Göttinnen geweihte Schreine auf.
Über Zelle 1 begrüßt uns die Muttergottheit Ambika, die bei den Jains dem Neminatha als Botin dient. Über den Zellen 2 bis 6 begegnen uns Tänzerinnen, Schwäne und Pflanzen. Bei Zelle 9 zeigt sich eine interessante Szene mit Booten, Fischen und den Tempel von Girnar, umgeben von Mönchen, Nonnen und Laien. Über Zelle 11 wird wieder das Hochzeitsthema aus dem Leben des Neminatha aufgegriffen, als er sich kurz vor der Eheschließung dem Asketentum zuwandte. Vergeblich wartet seine Braut Rajmati auf ihn. Zwischen den Zellen 14 und 16 wird das Leben von Parshva und dem 16. Fortbereiter und Weltenherrscher Shanti illustriert. Entlang der gesamten Ostwand ist die Galerie durch Steingitter, hinter denen zehn Marmorelefanten aufgereiht sind, verschlossen (Die Jains haben ähnlich den Hindus ihren Gottheiten Tragtiere zugeordnet). Der Elefant ist der Begleiter (Lanchana) des zweiten Fortbereiters Ajitanatha.

Prunkstück des Tempelinnern ist zweifellos die wie ein Lüster gestaltete Kuppel über der Tanzhalle mit den 16 Göttinnen der Weisheit auf den Konsolenträgern und 360 winzigen, im Kreis angeordneten Figuren von Mönchen und 72 Tirthankaras. Bemerkenswert auch die aus 108 Blättern geformte Lotusblüte im Deckenbereich der südwestlichen Ecke der Tanzhalle. Auf jedem Blütenblatt ist eine der Haltungen des klassischen indischen Tanzes abgebildet. Der gegenüber dem Vimalaheiligtum liegende Pittalhar-Tempel (15. Jh.) enthält ein Bronzebildnis des Adinatha. Hinsichtlich der Dekoration kann er sich allerdings nicht mit den beiden anderen Bauten messen, zumal er offensichtlich unvollendet blieb. Unterhalb hat jenseits des Zugangswegs der aus dem 15. Jh. stammende Kultbau des Parshvanatha seinen Platz. Wie das Heiligtum von Ranakpur weist er vier Tanzhallen und ein Sanktuarium mit vier Eingängen auf und gehört damit zum Typus eines Chaumukhabaus. Im Gegensatz zu Ranakpur sind die Mandapas hier aber noch nicht durch Eckschreine zu einem geschlossenen Quadrat verbunden und mit einer Mauer gegen die Außenwelt abgeschirmt. Zur Dekoration gehören einige schöne Wächterfiguren aus grauem Sandstein.
 

   
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