Fatehpur Sikri besteht aus zwei auf einem Hügelrücken
liegenden, deutlich voneinander getrennten Teilen, dem
Komplex der Moschee im Süden und der Palastanlage etwa
100 m nordöstlich davon. Die von einer Mauer umgebene
Freitagsmoschee (ca. 110 m x 140 m) wird von dem
mächtigen südlichen Eingang Buland Dawarza beherrscht,
zu dem man von der Straße ueber eine breite Treppe
hinaufsteigt. Das 54 m hohe Tor, das als Vorbild für
derartige Anlagen der Mogulzeit gilt, sollte
wahrscheinlich an den Sieg Akbars in Gujarat im Jahre 1573
erinnern und die enge Bindung an den Chishti-Orden
dokumentieren. Die vom Kalligraphen Ahmad al-Chishti
gestalteten Koranverse verheißen den wahren Gläubigen
den Weg ins Paradies.
Im Innern der Freitagsmoschee sind rechts vom Hauptbogen
die berühmten Verse eingelassen, in denen sich
Mystizismus und Toleranz des Herrschers in einzigartiger
Weise verbinden Jesus, Friede sei mit ihm, sagte Die Welt
ist nur eine Brücke; überquere sie, aber baue keine
Häuser auf ihr. Derjenige, der eine Stunde hofft, hofft
auf die Ewigkeit, denn die Welt ist nur eine Stunde,
verbringe sie in Andacht, denn der Rest ist unsichtbar.
Im Innenhof fällt sofort das schneeweiße kleine
Mausoleum des Heiligen (gest. 1573) auf, der einzige
vollständig in Marmor ausgeführte Bau in ganz Fatehpur
Sikri. Es ist ein Kleinod der Mogulkunst, bestechend durch
den Einfallsreichtum in der Variation einfacher
abstrakter Formen wie auch durch die perfekte Ausführung
der handwerklichen Arbeiten. Das nur 15 m2 messende
einstöckige, von einer halbrunden Kuppel gekrönte
Gebäude, hat sein Vorbild im Schrein von Sarkhej in der
Nähe von Ahmedabad.
Kennzeichen ist eine um die zentrale Kammer verlaufende
Galerie, die nach außen durch Marmorgitter abgeschlossen
wird, die in äußerst komplizierter Weise aus einem
Oktogon entwickelt wurden. Charakteristisch ist auch die
umlaufende breite Traufe, getragen von geschwungenen, mit
Voluten und Blattwerk verzierten Konsolen, die der
islamisch-hinduistischen Bautradition von Mandu
(westliches Madhya Pradesh) und Gujarat entstammen.
Besonders schön ausgefuehrt sind sie an den Pfeilern, die
den Portikus stützen. Das von einem Baldachin aus
Ebenholz überwölbte Kenotaph in der zentralen Kammer des
Mausoleums ist nach wie vor beliebtes Ziel kinderloser
Frauen, die hier auf das Wunder hoffen, das einst Akbar
zuteil wurde. Das Grab selbst liegt in einer zugemauerten
Gruft unter dem Mausoleum.
Der Bau, an dem zahlreiche Künstler und Handwerker aus
Gujarat arbeiteten, war erst im Jahre 1581 fertiggestellt,
ironischerweise zu einem Zeitpunkt, als sich Akbar bereits
vom Orden und der Heiligen-Verehrung losgesagt und seine
eigene, religionsübergreifende Glaubensrichtung zu
entwickeln begonnen hatte, die Din-il-Illahi.
Die nach Westen gerichtete Front des Hofs wird vor der
Freitags-Moschee eingenommen, die mit 90 m Länge und 20 m
Breite zu jener Zeit als größte des Mogulreichs galt.
Die Seitenflügel mit ihren zahlreichen auf schmalen
Säulen ruhenden Boegen koennten in der Jami Masjid von
Mandu ihr Vorbild haben, der zentrale, überhöhte Iwan
ist hingegen typisches Merkmal der Mogulbauten,
uebernommen aus der Architektur der timuridischen
Vorfahren. Sehr komplex ist die Konstruktion der gerippten
Seitenkuppeln, die der altindischen Holzbauweise
entstammt, bei der Umsetzung in Stein jedoch besondere
bautechnische Maßnahmen erfordert.
Die Hauptgebetshalle ist mit geometrischen in den
Sandstein eingelegten Marmormustern und gemalten Arabesken
und Blumenmotiven reich verziert. Der Minbar, die
Predigtkanzel an der nach Mekka gerichteten Qiblawand, war
Schauplatz eines denkwürdigen Auftritts Kaiser Akbars,
der sich 1579 anmaßte, hier selbst die Predigt zu halten
und damit ein Privileg zu beanspruchen, das nur den
Mitgliedern der islamischen Geistlichkeit zustand. Auch
die im Zusammenhang mit seiner Person zweideutig
aufzufassende Urformel Allahu akbar soll der Kaiser bei
diesem Anlass den hier versammelten Gläubigen
entgegen gerufen haben. Dass er hiermit nicht nur Gott ist
groß gemeint haben könnte, sondern Gott ist Akbar machte
er
durch den Erlass eines Dekrets deutlich, das seine
Unfehlbarkeit in religiösen Fragen fest schrieb.
Durch das Siegestor verlässt man den Moscheekomplex und
gelangt in wenigen Minuten zum Eingang der Palastanlage.
Zunächst wird der Besucher vom Jodh Bai-Palast empfangen,
dessen fensterlose Fassade linker Hand den schmalen Hof
beherrscht. Wahrscheinlich entstand dieser kompakte Baum
mit großem Innenhof und zahlreichen symmetrisch um ihn
herum angeordneten Räumen in der Frühphase als
Einzelanlage, möglicherweise als Harem, war er doch
früher einmal durch einen gedeckten Gang direkt mit den
Gemächern des Herrschers verbunden. In den Details lassen
sich zahlreiche Anlehnungen an die Architektur Gujarats
erkennen, so etwa am Motiv der hängenden Glocken
(Ghantamala) an den Säulen, das man haeufig in den
Hindu-Tempeln und Moscheen dieses Staates antrifft. Damit
man nicht von außen in den Hof blicken kann, ist der
Zugang verwinkelt angelegt. Die kleine Struktur vor dem
Eingang diente als Wachhäuschen für die Eunuchen.
Vor uns liegt nun das Haus der Maryam, früher wegen
seiner prächtigen Fresken Sunhara Makan (Goldenes Haus)
genannt. Es wurde eine Zeitlang einer portugiesischen
Gemahlin Akbars namens Maria zugeschrieben, die es
allerdings nie gegeben hatte. Bei den beiden am Hofe
lebenden Marias handelte es sich um Maryam Makani (der
Maria gleich im Rang), die Mutter Akabrs, und Maryam
Zamani (Maria des Alters), die erste Frau Akbars und
Mutter Jahangirs. In der Tat diente Maryams Haus als
Unterkunft für Akabrs Mutter. Seines Schmucks beraubt
wirkt das Gebaeude heute recht streng, allenfalls durch
die kleinen Pavillons etwas aufgelockert. Interesse
verdienen die Konsolen, die die Traufe stützen. Auf einer
dieser Dachstützen an der Nordseite kann man Rama mit dem
Affengott Hauman sehen, auf einer anderen Gänse,
Elefanten und Rosetten, alles deutliche Beweise
hinduistischer Gedankenwelt.
Wenden wir uns nun nach links und folgen der nördlichen
Außenmauer des Jodh Bai-Palastes, gelangen wir nach etwa
100 m zum 1572 entstandenen Haus des Raja Birbal , in dem
allerdings, da es zum Komplex des Harems gehörte, weder
Birbal, ein enger Vertrauter Kaiser Akbars, noch sonst ein
Mann lebte, sondern wahrscheinlich zwei der rechtmäßigen
Frauen Akbars. Interessanterweise wurde bei dem
zweistöckigen Bau eine Fachwerkholzkonstruktion
nachgeahmt. Es gibt aus dem Sandstein heraus modellierte
Stützen, die natürlich keine tragende Funktion haben,
und ornamentierte Füllungen, die Werken der
Holzschnitzkunst zum Verwechseln ähnlich sind. Auch hier
herrschen vielfach Hindu-Motive vor, etwa der Lotus an den
Bögen des Eingangs oder die Dekorationen an den
Säulenbasen. Die mit steinernen Rippen ausgeführte
Kuppel ist, ähnlich wie Seitenkuppeln der
Freitagsmoschee, ebenfalls der Holzbauweise entlehnt.
Linker Hand öffnet sich ein großes Geviert, über dessen
genaue Funktion sich die Gelehrten nicht einig sind,
obwohl es als Pferde-und Kamelstallung angesehen wird.
Die Bezeichnung stammt von den Steinringen in der Wand,
die zur Befestigung von Tieren gedient haben könnten. Die
Existenz von Staellen so nahe bei den Frauengemächern
dürfte jedoch wegen der Lärm – und Geruchsbelästigung,
vor allem aber der Anwesenheit von Männern, eher
unwahrscheinlich gewesen sein. Vermutlich handelte es sich
um die Quartiere der weiblichen Bediensteten des
angrenzenden Harems. Immerhin soll es an Akbars Hof bis zu
5000 Frauen gegeben haben, von denen die meisten den
Status von Sklavinnen besaßen, etwa 300 jedoch als
legitime Ehefrauen angesehen wurden, die mit dem Kaiser
nach der niederen Form der Ehe verbunden waren.
Wir gehen wieder bis zum Haus der Maryam zurück und
setzen unseren Rundgang zum zentralen Teil des Palastes
fort. Es erwartet uns eine großartige Hofanlage, die in
der lockeren Anordnung der Bauwerke fern jeder strengen
Symmetrie, die sowohl den hinduistischen als auch den
islamischen Bauten sonst zu eigen ist, fast futuristisch
wirkt und dem Raumempfinden unserer Tage sehr nahe kommt.
Die zum Bau verwendeten Pfeiler, Architrave und Konsolen,
allesamt aus dem lokalen Sandstein gefertigt, sind zwar
der hinduistischen Bautradition entlehnt, sie dienten aber
nicht dazu, Monumentalbauten nach hinduistischem Muster zu
schaffen, sondern luftige offenen Hallen mit teilweise
zurückspringenden Geschossen und Fronten, die dem
gesamten Ensemble eine ungeheure Lebendigkeit verleihen.
Es hat den Anschein, als habe man die Gebäude nach
Gesichtspunkten der Harmonie ueber das von Mauern
umschlossene Geviert verteil und sie je nach Bedarf
erweitert, eine mobile Architektur, so der Historiker und
Architekt Andreas Volwahsen, die uns an die Zeltstädte
von Akbars Vorfahren erinnert. Viele der Gebäude waren
durch überdachte, mit Jaliwaenden gegen neugierige Blicke
geschützte Galerien miteinander verbunden. Durch sie
konnte man unbemerkt und trockenen Fusses von einem Teil
des Palastes in den anderen gelangen, ein Privileg, das
natürlich nur dem Herrscher und seinem Harem zustand.
Im Süden wird die insgesamt etwa 175 m lange,
zweigeteilte Hofanlage von den Privatgemächern (5) des
Kaisers begrenzt, die früher mit Gitterwerk gegen den Hof
abgeschirmt waren. Sie bestehen im Erdgeschoss aus zwei
Räumen, von denen der östliche einst mit Blumenmotiven
prachtvoll ausgemalt war und mit Steinplatten
verschließbare Öffnungen erhielt, in denen Bücher
aufbewahrt wurden. Dahinter liegt unmittelbar an der
Südwand ein Raum mit einer erhöhten Plattform, auf der
Akbar seine Gäste zu empfangen pflegte.
Im angrenzenden, mehrstöckigen Bauwerk befanden sich
weitere Privatgemaecher, darunter die Schlafraeume,
verbunden durch einen Gang und eine nicht mehr
existierende Brücke mit dem Harem. Auch hier haben sich
die prachtvollen Wandmalereien nur noch in Spuren
erhalten. Den Hof vor den Privatgemächern ziert das fast
30 m2 große Wasserbecken Anup Talao. Auf der durch vier
Stege mit dem Ufer verbundenen zentralen Plattform soll
der Kaiser mit islamischen Intellektuellen Rechtsfragen
diskutiert haben. Zeitgenössischen Quellen zufolge habe
er bei besonderen Gelegenheiten das Becken sogar mit
Goldmünzen füllen lassen, die er an seine ihm besonders
ergebenen religiösen Gelehrten lassen, die er an seine
ihm besonders ergebenen religiösen Gelehrten verteilte,
um sich damit deren Wohlwollen zu erkaufen.
Im Norden wird der Privathof des Kaisers nur teilweise
durch einstöckige Hallen vom sogenannten Pachisi-Hof
abgegrenzt, so dass der Blick aus den Privatgemächern die
gesamte Hofanlage erfasst. Rechts hinter der Kante des
Wasserbeckens schiebt sich das einstöckige Haus der
türkischen Sultana ins Blickfeld. Akbar hatte es für
einen seiner Lieblingsfrauen, die aus Istanbul stammende
Sultana Ruqaya Begum bauen und großzügig ausstatten
lassen. Neben geometrischen Ornamenten fallen fein
gearbeitete Reliefs von Bäumen, blühenden Ranken und
Vögel ins Auge, die teils indischer Herkunft sind, vor
allem aber Merkmale timuridischer Kunst erkennen lassen.
Jenseits des Hauses öffnet sich der Pachisi-Hof , benannt
nach dem hier in den Boden eingeschnittenen
Begrenzungslinien fuer das am Hof beliebte Spiel. Akbars
Hofhistoriker Abu Faisal berichtet, dass der Herrscher
zuweilen statt mit Figuren mit Sklavinnen in
unterschiedlichen Kostümen gespielt habe, wobei sich
einige Spiele bis zu drei Monate hinzogen. Im Osten wird
der Hof durch die öffentliche Audienzhalle (Diwan-i-Am),
der ein schmaler Garten vorgelagert war, begrenzt. Von der
ueberdachten Plattform wandte sich der Herrscher seinen im
östlich angrenzenden Hof der öffentlichen Audienzen
versammelten Untertanen zu, nahm ihre Petitionen entgegen
und schlichtete Streitfälle. Verbunden waren beide Höfe
nur durch einen schmalen Durchgang nahe der noerdlichen
Ecke. Beherrscht wird der Pachisi-Hof an der Südwestecke
von dem asymmetrisch stufenförmig sich über die Gebäude
erhebenden fünfstöckigen Panch Mahal , dem dominierenden
Bauwerk Fatehpur Sikris. Wahrscheinlich diente die
turmartige Konstruktion, die ihr Vorbild in dem vor Timur
errichteten Chihl Sutun von Samarkand hat, der Entspannung
in luftiger Höhe, umfächelt von einer kühlen Brise. Da
früher Jalis den Blick ins Innere verwehrten, war er
möglicherweise der bevorzugte Aufenthaltsort der
Haremsdamen während der heißen Jahreszeit, zumal eine
gedeckte Galerie ihn mit den Privatgemächer des Kaisern
und dem Harem verband.
Folgen wir vom Panch Mahal der linken Hofseite nach
Norden, treffen wir als nächstes auf einen kleinen Kiosk
von nur 3 m Seitenlänge, der fälschlicherweise Sitz des
Astrologen genannt wird und auf einer kleinen Plattform
vor der Südwand des Schatzhauses (10, Ankh Michauli)
ruht. Tatsächlich war es wohl der Platz des arroganten,
aber fähigen Eunuchen Phul Malik, der von hier aus die
Schätze des Kaisers verwaltete. Einzigartige Beispiele
der Steinmetzkunst wie der religiösen Toleranz Akbars
sind die schlangenförmigen, sich zu einem Toranabogen
schließenden Streben, die ganz der Jaintradition
entspringen und in fast identischer Form am Vimalatempel
in Mount Abu oder an den Heiligtümern der Mount Girnar
anzutreffen sind. Das angrenzende Gebäude wird als
Schatzhaus interpretiert, aber auch als Arbeitskabinett
des Kaisers. Wie so häufig in Fatehpur Sikri besteht
hinsichtlich der Funktion einzelner Bauten keine Klarheit.
Zu dem auffälligsten Gebäude des Pachisi-Hofs zählt die
freistehende private Audienzhalle (Diwan-i-Khas).
Äußerlich kann das zweistöckige Bauwerk durch seine
übergroßen, nach einer zentralen Kuppel verlangenden
Eckpavillons kaum überzeugen. Dafür überrascht der
Innenraum die Besucher um so mehr. Aus dem Zentrum des
einzigen Raums wächst wie ein Baum ein monolithischer
Pfeiler, der sich einer Blüte gleich in dicht
aneinander gesetzten schlangenförmigen Stützen entfaltet,
die eine runde, von einem durchbrochenen Geländer
umschlossenen Plattform tragen. Vier, zu den Ecken des
Raums verlaufende Stege verbindet sie mit einer
umlaufenden Galerie. Die Säule war der symbolträchtige
Sitz des Mogulherrschers während seiner privaten
Audienzen. Seine Allmacht wollte der Kaiser hier
demonstrieren, sich möglicherweise sogar mit dem von der
Achse des Universums aus regierenden Weltherrscher
Chakravartin der altindischen Kosmologie vergleichen. Ein
neuer Gedanke war dies nicht; denn bereits in den Edikten
des buddhistischen Kaisers Ashoka (268-233 v. Chr.) findet
sich eine derartige Beziehung zwischen göttlicher und
weltlicher Herrschaft. Aber auch als Baum der
Wunschgewährung, ein bei den Jains beliebtes Motiv, wird
die Säule zuweilen interpretiert.
Außerhalb von Moschee- und Palastbezirk liegen innerhalb
der historischen Stadtanlage noch einige recht
interessante Bauten, die hier kurz erwähnt werden sollen.
Im Nordwesten triff man auf den Hirschturm (Hiran Minar),
der möglicherweise als Nullpunkt der durch
Kilometersteine gemessenen Entfernungen dient und durch
seinen mit elefantenrüsselartigen Stacheln besetzten
Schaft aus dem Rahmen faellt, eine Konstruktion, die aus
Persien übernommen wurde. Ein Stück südlich liegt nahe
der Nordwestecke der Harems das Elefantentor, das
Wahrscheinlich als Hauptzugang für den Hofstaat diente.
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