Nicht zuletzt wegen seines einzigartigen Palasthotels ist
Mandawa (35 km südlich von Bissau) heute eines der Zentren
des Tourismus in Shekhawati. Durch den Bau eines Forts und
einer Stadtmauer hat Sardul Singh dem Dorf im Jahre 1765
die notwendige Sicherheit für die Entwicklung zur
Handelsniederlassung gegeben. Dass diese
Vorsichts-maßnahmen nicht unbegründet waren, bewies eine
Belagerung im Jahre 1828 durch die Thakurs von Jaipur und
Sikar, die Mandawa abwehren konnte.
Seine bemalten Havelis konzentrieren sich entlang der von
Ost nach West verlaufenden Hauptstraße, die am östlichen
Ende vom pittoresken Sonthilza Tor abgeschlossen wird. Der
dekorative Torbau entstand zwar erst 1930, fügt sich
jedoch harmonisch in das Straßenbild ein. |
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Mandawa Fort |
Dem Tor gegenüber dominiert an der Hauptstraße der mit
Jagdszenen und folkloristischen Darstellungen reich
dekorierte Ramesh-warlal-Haveli. Durch das Tor rechts um die
Ecke trifft man an der nach Nawalgarh führenden Straße auf
den Balkishran Sriram Saraf-Haveli (rechte Hand), an dessen
westlicher Fassade sich das verblichene Bild eines Schiffs
erkennen lässt, während die östliche Seite von den Künstlern
mit einer Prozession, einer Eisenbahn und einigen erotischen
Darstellungen verziert wurde.
Weitere interessante Havelis findet man in der Nähe des
westlichen Stadtrandes. Hervorzuheben ist der um 1900
entstandene Hanuman Prasad Goenka-Haveli mit gemalten
Fensterdarstellungen von Shiva auf seinem Bullen Nandi und
Vishnu auf einem Elefanten. Vornehmlich an europäischen
Vorbildern hat sich hingegen der Künstler Balu Ram – einer
der letzten Moralisten des Shekhavati am benachbarten Nandalal Murmuria – Haveli orientiert (1935). Neben Gandhi
und Nehru gibt es einen Blick auf Venedig zu bewundern und
wieder die Sendboten des technischen Fortschritts, Autos und
Eisenbahnen, von denen die Handelsherren des ländlichen
Indiens damals so begeistert waren. Nebenan liegt der große
Doppelhaveli der einflußreichen Goenka-Familie, von dessen
Wänden Elefanten und Reiter auf die Passanten blicken.
Lohnenswert ist auch der Besuch der Handelshäuser
südwestlich des Forts, insbesondere den Gulab Rai
Ladia-Haveli mit Darstellungen aus dem täglichen Leben eines
Kaufherren, Eisenbahnen und Elefanten; die zahlreichen
erotischen Bildnisse wurden größtenteils von prüden
Zeitgenossen übertüncht. Dank der vorwiegend religiösen
Motive blieb dem Lakshminarayan Ladia-Haveli nebenan dieses
Schicksal erspart.
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In dem trotz seiner Trockenheit dicht besiedelten
Landstrich entwickelten sich im Laufe der Jahrhunderte
etliche kleine, von Jaipur abhängige Fürstentümer, deren
Paläste heute zum Teil in reizvolle Hotels umgebaut
wurden. Aber nicht sie allein bilden den Anziehungspunkt
dieser ländlichen Gegend abseits des Trubels der
Großstädte, es sind die bemalten Kaufmannshäuser, die
Havelis, die den Besuch zum Erlebnis werden lassen. An den
großen, aus dem Nordwesten kommenden Karawanenrouten
gelegen, konzentrierte sich in Shekhawati seit früher Zeit
der Handel. Waren aus Lahore und Peshawar (die heute zu
Pakistan gehören) wurden hier ebenso umgeschlagen wie
Güter auf dem Weg von Gujarat nach Delhi. Gehandelt wurden
Stoffe, Tabak, Edelmetalle, Opium, Schmuck, Papier und
Elfenbein, aber auch Eisenerz, Weizen, Reis und
Trockenobst.
Dass sich gerade Shekhawati zu einem Handelszentrum
entwickelte, lag nicht nur am hervorragend organisierten
Verkehrswesen, sondern auch daran, dass die Fürstentümer
Bikaner im Nordwesten und Jaipur im Süden zu Beginn des
19. Jh. hohe Zölle für den Warentransit verlangten, um
ihre Staatskassen zu füllen und so die Karawanen zu
Umwegen durch das zollfreie Gebiet zwangen. Man
unterschied Karawanen für Handel, Viehtrieb und
Personenbeförderung. Auch eine Versicherung der Waren
gegen Diebstahl und Beschädigung war nicht unbekannt,
wobei die Versicherungsagenten für bewaffneten Schutz
sorgten. Als die Briten durch den Ausbau der Häfen Bombay
und Calcutta (jetzt Kolkata) neue ökonomische Zentren
schufen, erkannten die Kaufleute von Shekhawati schnell
die sich für sie ergebenden Chancen und verlegten ab 1820
ihr Tätigkeitsfeld zunehmend in die neuen Metropolen
wirtschaftlicher Macht.
Die Häuser der marwarischen Kaufleute, die Havelis, waren
ganz auf diesen Warenverkehr und – Umschlag ausgerichtet.
Sie sind den in der islamischen Welt üblichen Fonduks
verwandt, die als Warenlager und Wohnhaus dienten. Ein
(gut verschließbares) hohes Tor, das auch beladene Kamele
passieren Können, führt in einen allseitig von
mehrstöckigen Gebäudeflügeln umschlossenen äußeren Hof.
Hier lagen der oftmals besonders prachtvoll ausgeschmückte
Empfangsraum (Baithak), in dem der Hausherr seine Gäste
empfing, aber auch die Quartiere für die Männer und
Lagerräume. Kleine Türen führten in den zweiten privaten
Hof des Haveli, wo sich das häusliche Leben abspielte. Nur
durch ein kleines Fenster in der Verbindungswand zwischen
den Höfen konnten die Frauen einen Blick auf das Geschehen
im vorderen Hof werfen. In den Obergeschossen lagen die
Wohnräume des Handelsherren und seiner Familienmitglieder.
Die frühesten Havelis entstanden im 18. Jh. aus Lehm, da
Stein in der wüstenhaften Region in jener Zeit nur schwer
zu beschaffen war. Die meisten der heute noch erhaltenen
Handelshäuser stammen allerdings erst aus dem 19. Jh., als
die Kaufleute begannen, ihren Reichtum durch künstlerische
Ausgestaltung der Havelis nach Außen hin zu dokumentieren.
Dass sie dabei nicht den verfeinerten höfischen Stil zu
imitieren versuchten, sondern ihren persönlichen Geschmack
ganz unverblümt zur Schau stellten, macht den besonderen
Reiz dieser Volkskunst am Bau aus.
Vor allem in der Bemalung ihrer Handelshäuser versuchten
sich die Kaufleute gegenseitig zu übertrumpfen, wobei sie
neben traditionellen indischen Motiven aus dem religiösen,
historischen und folkloristischen Bereich auch Symbole des
technischen Fortschritts wählten. Autos, Eisenbahnen und
Flugzeuge verbinden sich mit Ganesh, Krishna und den Gopis
zu einem einzigartigen Bilderbuch indischer Kultur an der
Schwelle zur Neuzeit. Aus der häufigen Abbildung
britischer Offiziere und Truppen lässt sich auf ein recht
gutes Verhältnis schließen, begründet im militärischen
Schutz der empfindlichen Handelswege. Die Kaufleute
machten keinen Hehl daraus, dass sie Nutznießer der
Fremdherrschaft waren.
Die schönsten Malereien findet man im nördlichen
Shekhawati, insbesondere in Mandawa, Fatehpur, Bassau und
Jhunjhunu. Zunächst kamen Pflanzenfarben zur Anwendung,
die auf den noch feuchten Putz aufgetragen wurden, später
auch synthetische Farben. Am einfachsten und bequemsten
lassen sich die Sehenswürdigkeiten Shekhavatis auf einer
zweitägigen Rundfahrt besuchen, wobei sich ausgezeichnete
Übernachtungsmöglichkeiten in einigen der Palastanlagen
ergeben, allen voran in Mandawa. Anzumerken ist jedoch,
dass viele Havellis geschlossen sind und andere sich noch in
Privatbesitz befinden, sodass man vor dem Betreten des
Innenhofes um Erlaubnis bitten muss.
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