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Der
Palast |
Obwohl der nach wie vor vom Maharaja von Jaipur bewohnte
Palaste nur zum Teil der Öffentlichkeit zugänglich ist,
offenbart sich dem Besucher hier die legendäre
Prachtentfaltung der indischen Herrscher besonders
eindrucksvoll. Im Gegensatz zu den frühen, eher burgartigen
Palastanlagen Rajasthans gruppieren sich die Gebäude um
mehrere Höfe in einem ummauerten Komplex, in den auch ein
größerer Garten einbezogen wurde. Die Anlehnung an die
Paläste der Mogulherrscher Jahangir und Shah Jahan ist in
dieser Residenz, die den Ausgangspunkt für die Stadtplanung
bildete, unübersehbar. Durch das westliche Tor Virendra Pol
betritt der Besucher den ersten Innenhof, der vom Mubarak Mahal im Zentrum beherrscht wird. Das elegante,
durch seine zierlichen Säulen der umlaufenden Veranda im
ersten Stock grazil wirkende ehemalige Gästehaus entstand
1900 unter Aufsicht des Engländers Samuel Swinton Jacob, dem
staatlichen Ingenieur von Jaipur, und verkörpert die letzte
bedeutsame Phase indischer Architektur.
Heute ist im oberen Stock das Textilmuseum mit Gewändern der
Maharajas von Jaipur untergebracht, darunter eine Robe aus
Benares Brokat des schwergewichtigen (Gürtelumfang 1,80 m)
Maharaja Madho Singh I. (1880 – 1922), feinste
Kaschmirstoffe und traditionelle Holzdrucke, Brokate, mit
Gold durchwirkte Schals, Glaswaren und Spielzeug der
Prinzen. In der nordöstlichen Ecke des Hofs hat die
Waffenkammer ihren Platz. In der sehenswerten Sammlung
manifestiert sich die Vorliebe der Rajputen für das
Kriegshandwerk und ihr Erfindungsreichtum in der Entwicklung
besonders grausamer Waffen, so etwa einer Keule in Form
einer Lotosknospe, die sich in der Wunde des Opfers mit
zahlreichen Spitzen entfaltet. Zu sehen gibt es zudem das
gewaltige Schwert von Raja Man Singh I., die Schwerter der
Mogulherrscher Jahangir und Shah Jahan, Juwelen – schmückte
Dolche und einen Helm Akbars sowie Pistolen und Gewehre
unterschiedlicher Kaliber.
Das dekorative, zu Beginn unseres Jahrhunderts zusammen mit
dem Mubarak Mahal ebenfalls aus Marmor gefertigte Rajender
Pol an der Nordseite des Hofs wird von zwei schön
gearbeiteten Elefanten aus Marmor bewacht.
Sie wurden hier 1931 von Maharaja Man Singh II. (1922-1970)
aufgestellt, um die lange erhoffte Geburt eines männlichen
Nachfolgers (des derzeitigen Mahajaras Bhawani Singh) zu
feiern. Durch das Tor gelangt man in den zweiten Hof mit der
ursprünglichen öffentlichen Audienzhalle (Diwan-i-Am), die
ihre mongolische Abkunft kaum verleugnen kann, mit ihren
aufgemahlten pietra- dura-Imitaten allerdings weit von deren
Qualität entfernt ist. Die Halle trägt heute den Namen
Sharbata Bhadra (private Audienz-halle order Diwan-i-Khas).
Prunkstücke sind die beiden 1,50 m hohen, 345 kg schweren
Silbergefäsße, die Madho Singh II. im Jahre 1902 für
seinen Besuch der Krönungsfeierlichkeiten von König Edwards
VII. in England anfertigen ließ, um auch unterwegs nicht
auf das heilige Gangeswasser verzichten zu müssen.
In der neuen öffentlichen Empfangshalle (Ende 18. Jh./ Anfang
19. Jh.) an der Nordostseite des Hofs ist nunmehr die
Kunstgalerie untergebracht. Präsentiert werden eine große
Auswahl von Miniaturen, darunter eine Darstellung mit Maria
und Josef, die zwei anbetenden blonden Engeln das Jesuskind
zeigen, Teppiche des 16. und 17. Jh. aus Kabul und Lahore,
ein Manuskript der Bhagavadgita in Miniaturschrift und die
üblichen Fotos der Herrscherfamilie. Einen Blick verdient
auch die um 1870 mit Blumenornamenten bemalte Decke. Durch
das Ganesh Pol im Westflügel des Hofs gelangt man in den
angrenzenden Pfauenhof (Pritam Niwas Chowk). An der
Nordseite wird er vom Hauptgebäude der Residenz begrenzt,
dem siebenstöckigen stufenförmigen, die Gesamtanlage
überragenden Chandra Mahal, der zwischen 1727 und 1734 als
erstes Gebäude der Stadt errichtet wurde und noch die
kompakte Struktur der Rajutischen Palastarchitektur erkennen
lässt.
Akzentuiert wird die Fassade durch den Wechsel glatter
Wandflächen und vorspringender, übereinanderlegender, von
schmalen Säulen getragener Balkone. Allerdings haben die
Architekten die recht kleine Front mit zu vielen Details
überfrachtet und ihr so die Erhabenheit genommen, die
früheren Palastanlagen der Rajputen zu eigen ist. Kleine
kunsthandwerkliche Kostbarkeiten sind Allerdings die
Pfauendarstellungen über dem barock anmutenden Pfauentor und
die getriebenen Metallreliefs an den Türen.
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Geschichte |
Benannt wurde es nach seinem Gründer Maharaja Jai Singh
II. (1699-1744), der nach dem frühen Tod seines Vaters
Bishan Singh bereits mit 12 Jahren den Thron von Amber
bestieg und schon in jungen Jahren den Mogulherrscher
Aurangzeb derart beeindruckte, dass er ihm den Ehrentitel
Sawai verlieh (eineinviertel Mal besser als alle
Zeitgenossen) – eine Bezeichnung, mit der sich seither
alle Thronfolger Jaipurs schmücken. Die Maharajas von
Jaipur gehören zu den wenigen, deren Herkunft sich bis in
das 11. Jh. verfolgen lässt, als Kakil Deo aus dem
Rajputenclan der Kachawaha die Festung Amber eroberte und
zur Residenz erhob. Sie selbst führen ihre Abstammung aber
noch weiter zurück und sehen sich als Erben der legendären
Sonnendynastie von Ayodhya. Durch Heirat war das Haus von
Jaipur seit Mitte des 16. Jh. eng mit den Moguln
verbunden. Sowohl Akbar wie auch sein Sohn Jahangir hatten
Töchter der Herrscher von Amber zur Frau. Diese engen
Familienbande fanden ihren Niederschlag in zahlreichen
Privilegien, wie z. B. den Titeln von Heerführern und
Gouverneuren im Dienste der Mogulherrscher. Wie üblich war
damit auch ein beachtlicher Reichtum verbunden.
Mit der Vergrößerung des Reiches, das bald auch die
Fürstentümer von Mewar und Marwar einschloss, fasste Jai
Singh II. die Neugründung einer Hauptstadt ins Auge, zu
der er am 18. November 1727 den Grundstein legte.
Möglicherweise wollte der Herrscher damit seine Loslösung
von der Mogulherrschaft nach dem Tode Aurangzebs zeigen.
Schon zuvor hatte er sich allerdings als eifriger Bauherr
betätigt, etwa beim Observatorium in Delhi und im Palast
von Amber.
Mehr als einmal geriet Jaipur nach dem Tode seines
Gründers im 18. Jh. in Bedrängnis. Im August 1748 fielen
die Marathen in Jaipur ein, zwei Jahre später stand
Jaswant Rao Holkar vor der Stadt und trieb Ishwari Singh
(1743-1750) in den Selbstmord. Im Jahre 1818 schloss
Maharaja Jagat Singh den ersten Vertrag mit den Briten und
sicherte damit der Dynastie ein gewisses Mass an
Autonomie. Bei der Meuterei 1857 unterstützte Jaipur
tatkräftig die Kolonialherren und gehörte seither zu den
treusten Verbündeten.
Die Stadt wurde nach dem in Indien selten anzutreffenden
schachbrettartigen Muster angelegt, bestehend aus
insgesamt zehn nahezu quadratischen Vierteln, von denen
neun wiederum ein Quadrat bilden und über ein Netz sich
rechtwinklig kreuzender Straßen verfügen. Woher Jai Singh
das Konzept übernommen hat, ist nicht klar. Möglicherweise
liegen dem Raster kosmische Bezüge zugrunde. Jai Singh
beschäftigte sich ja, wie der Bau etlicher Observatorien
beweist, intensiv mit Astronomie und Astrologie. Somit
ließe sich die Stadt als eine Art Abbild des Universums,
als steingewordens Mandala interpretieren. Die neuen
Quadrate symbolisieren dann das neungeteilte Universum,
wobei das nördliche, genannt Chokri Sarhand, als
Verkörperung des heiligen Berges Meru dem Palast
vorbehalten war.
Der besondere Reiz Jaipurs liegt darin, dass die noch
vollständig von Mauern umschlossene Altstadt von modernen
Bauten verschont geblieben ist und durch ihren einheitlich
rosa Farbton wie aus einem Guss wirkt. Den Anstrich
erhielt die Stadt allerdings erst 1876 aus Anlass des
Besuchs des Prinzen von Wales, des späteren Königs Edwards
VII. Die Tradition wurde bis heute beibehalten und sogar
per Gesetz festgeschrieben.
Der Zugang aus der Neustadt erfolgt durch mehrere
attraktive Tore entlang der sich rechtwinklig schneidenden
Hauptachsen. Das Zentrum und die nördlichen Viertel der
Altstadt sind dem Palast und dem Observatorium
vorbehalten. Dass der Palast recht ungeschützt inmitten
der Stadt lag und nicht, wie in Rajasthan üblich, Teil
einer Festung war, lässt auf die militärische Stärke
Jaipurs und das Selbstvertrauen des Erbauers in jenen
Tagen schlissen. Als rettende Zuflucht hatte Jai Singh II.
für den Notfall allerdings die als uneinnehmbar geltende
Feste Nahargarh (Tigerfestung) unmittelbar nordwestlich
der Palastanlage auf einen mit dem Fort Jungarh
verbundenen Felsgrat gesetzt und so eine hochliegende
Bastion gegen potentielle Angriffe aus der Ebene
geschaffen. Aus diesem strategischen Grund wurde die Stadt
auch so nahe wie möglich an den Gebirgszug gerückt und der
perfekt symmetrische Grundriss dem Sicherheitsgedanken
geopfert. Dass der Schutz allerdings nicht ausreichte,
beweisen die mehrfachen Überfälle der Marathen.
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