Hauptattraktion Udaipurs sind die in und am See liegenden Paläste,
die zum Teil noch heute dem Maharana Arvid Singh als
Residenz dienen, dem amtierenden Oberhaupt des Hauses Mewar.
Mit dem Bau des Stadtpalasts, dessen eindrucksvolle
Fassade das östliche Ufer des Sees beherrscht, hatte bereits
der Stadtgründer Udai Singh begonnen; aber erst ab 1614
gewann die Anlage in mehreren Bauphasen allmählich an Größe
und Gestalt. Von der Altstadt her gelangt man durch das
wehrhafte Hathi Pol (Elefantentor 1600) zunächst zum 1725
errichteten dreibogigen Tripoliator an der Nordseite des
Innenhofs. Unter den zwischen beiden Toren liegenden acht
Bögen ließen sich früher die Maharanas an ihrem Geburtstag
in Gold und Silber aufwiegen, das dann an die Bevölkerung
verteilt wurde.
Die rechter Hand sich auftürmende Fassade des Palastes, der
Mardana, gehört größtenteils zum späteren Bauabschnitt.
Hinter den fensterlosen, nur durch Türme aufgelockerten
burgartigen Wänden im nördlichen Teil verbirgt sich ein bis
zum Obergeschoß reichender Felsen, der heute unsichtbar, in
den Komplex einbezogen wurde. In den ehemaligen Stallungen
an der Ostseite sind neuerdings Souvenirläden untergebracht.
Dass der Maharana es versteht, seine Wohnstatt zu
vermarkten, hat er bereits zuvor durch Umwandlung eines
Flügels in ein Luxushotel bewiesen. Zur ältesten, bereits
aus dem Jahre 1565 stammenden Bausubstanz zählen die am
südwestlichen Ende des Hofs beiderseits des Durchgangstors
Toran Pol liegenden Gebäude, von denen das südliche, für
Fremde nicht zugängliche, als Harem diente. Man beachte das
Sonnenemblem an dem Erker rechts oberhalb des Tores, das
Symbol edelster rajputischer Abkunft. Das Haus von Mewar
führe seine Abstammung auf die Dynastie der Sisodia zurück,
die ihren Ursprung wiederum in den Kshatriya sieht, der von
Sonne und Mond abstammenden arischen Kriegerkaste. Ihren
Führungsanspruch unter den 36 Rajputenstämmen dokumentieren
die Mewarherrscher auch in der Ehrenbezeichnung, indem sie
sich statt wie üblich Maharaja (großer Führer) Maharana
(großer Krieger) nennen und damit auch Bezug nehmen auf
Udaipurs Rolle als unerschütterliche Bastion im Kampf gegen
die Moguln. Der Besucher betritt den vierstöckigen, aus
zahlreichen mit Korridoren und Treppen verbundenen Räumen
bestehenden Palast heute durch das Mardana Deodhi. Zunächst
gelangt man in den Hof Rajaya Angan, der noch zur
ursprünglichen Palastanlage gehört und die auch in
Chittaurgarh übliche Architektur erkennen lässt. An der
Westseite liegt der nur aus einem einfachen Raum bestehende
Dhuni Mata-Tempel mit Bildnissen lokaler Gottheiten. Der
Schrein soll an der Stelle stehen, an der Udai Singh II.
1559 den Heiligen traf. Verewigt wurde im Hof auch das Pferd
Cheetak, mit dem Pratap Singh in der Schlacht von Haldighat
die Flucht gelang. Auf den Helden und die Schlacht beziehen
sich ebenfalls die Exponate in den angrenzenden Räumen Haldi
Ghati Kash und Pratap Kash. Interessant ist die
Waffensammlung mit einer Elefantenrüssel-Attrappe, die den
Pferden vor den Kopf gebunden wurde, um die Kriegselefanten
und Pferde des Gegners zu irritieren.
Über eine Treppe gelangt man zum Chandra Mahal, in dem sich
die Privatgemächer befanden. Bemerkenswert ist die
Verbindung traditioneller hinduistischer
Architrav-Säulen-Konstruktion mit der islamischen
Bogenbauweise, wobei die Zackenbögen nur als Konsolen
ausgeführt sind und sich in der Mitte nicht berühren. Damit
ließen sich breitere Säulenabstände realisieren, ohne die
Höhe zu verändern. Sehr schön sind auch die mit farbigen
Glasscherben gefüllten Marmorgitter im Erker. Durch einen
Korridor erreichen wir den hübschen, sogar mit Bäumen
bepflanzten Badi Mahal, einen intimen, von Arkaden
umschlossenen Innenhof, der den Abschluß des oben erwähnten
Felsens bildet und erst unter Maharana Amar Singh
(1698-1710) angelegt wurde. Bis dahin hörte der Palast an
der Süd-Seite des Felsens auf. Der weit vorspringende Balkon an
der Nordseite gewährt einen großartigen Blick auf die Stadt.
Die Ausblicke auf den See auf der einen Seite und die
Palastfront und die Stadt auf der anderen sind einzigartig.
Eine steile Treppe führt nun zum darunterliegenden Moti
Mahal, den Frauengemächern, in denen Spiegel und Glas für
eine fast surrealistische Atmosphäre sorgen. Diese als Shish
Mahal (Spiegelsäle) bezeichneten Räume sind Merkmal fast
aller rajputischen Palastanlagen.
Nebenan liegt der kleine
für Andachten genutzte Bhim Vilas mit Krishnadarstellungen.
Er soll an Krishna Kumari erinnern, die 16-jährige Tochter
des Maharana Bhim Singh (1778-1828), die sich der Vermählung
mit einem rivalisierenden Fürsten durch Selbstmord entzog,
um keinen Krieg heraufzubeschwören. Die angrenzenden, den
Hof Mor Chowk im ersten Stock umschließenden Räume dienten
ebenfalls als Privatgemächer. Von den schmalen, mit Gittern
versehenen Fenstern des nördlichen Nila Mahal konnten die
Damen am Geschehen im Hof unter ihnen teilhaben. Im
südlichen Priyatam Niwas, der als einziger Raum des Palastes
Fenster nach Osten und Westen aufweist, befanden sich die
sehr einfach ausgestatteten Räume des seit seiner Jugend an
den Rollstuhl gefesselten Maharana Bhopal Singh (1930-1955),
eines ausgesprochen beliebten liberalen Landesfürsten, der
sich von allem um den Ausbau des Erziehungswesens verdient
gemacht hat. Der Verbindungsgang zwischen den beiden
Räumlichkeiten, Surya, Prakash genannt, wurde erst im 19.
Jh. hinzugefügt.
Stufen führen hinab zum Surya Chopar, einen Thronraum mit
dem großen Sonnenemblem, dem Wahrzeichen des Hauses Mewar.
Von hier begrüßte der Herrscher die aufgehende Sonne. Der
davor liegende Hof Mor Chowk (Pfauenhof) entstand Mitte des
17. Jh. für die öffentlichen Audienzen. Seine
verschwenderische Dekoration an der Ostwand, die auch den
darüberliegenden Surya Chowk mit einbezieht, wurde
allerdings erst Ende des 19. Jh. im Rahmen einer
grundlegenden Umgestaltung geschaffen. Zunächst hat man die
Öffnungen zwischen den Marmorsäulen mit verputztem Mauerwerk
geschlossen und den Hof dadurch von der davorliegenden
Galerie getrennt. In diese geschlossenen Lücken wurden dann
die jugendstilartig anmutenden Pfauendarstellungen in
Glaseinlegetechnik plaziert. Dem Surya Chopar gegenüber
liegt der Nila Mahal, in dem die Maharanas Hof hielten. Die
Innenausstattung stammt ebenfalls aus dem 19 Jh. und
beinhaltet so kuriose Dinge wie in die Wand eingelassene
europäische Briefbeschwerer. Aber auch noch andere
Stilbrüche lassen sich ausmachen, so beispielsweise die
Verkleidung der traditionellen Säulen mit rechteckigen
Pfeilern, deren Glaseinlegearbeiten die fehlende Harmonie
kaum aufwiegen.
Man betritt nun wieder den Hof Rajaya Angan, durch den man
zum Ausgang gelangt. Zuvor bietet sich jedoch die
Möglichkeit zu einem kurzen Besuch des sogenannten Queen
Palace, bestehend aus einem großen rechteckigen Hof und ihn
umschließende Zimmerfluchten, in denen vor allem
Miniaturmalereien und Porträts britischer Kolonialoffiziere
zu sehen sind. An der Rückseite ist der ehemalige, in
bedauernswertem Zustand befindliche Fahrzeugpark der
Maharanas aufgereiht. Zwischen den vielen Kutschen auch ein Rolls Royce aus dem Jahre 1922.
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