Es gibt allerdings auch Kritiker, die dem Denkmal einer
großen Liebe nüchterner gegenüberstehen, ihm wegen seiner
reichen Verzierungen einen Hauch von Dekadenz
bescheinigen.
Dennoch wird sich wohl niemand, der durch den dunklen
Torbau in den Garten tritt, dem Zauber ganz entziehen
können, der wie eine Aura das schneeweiße Mausoleum
umfängt. Der heute geläufige Name, Taj Mahal, wurde
wahrscheinlich erst von Europäern geprägt, die
offensichtlich eine im Volk übliche Bezeichnung übernommen
haben, abgeleitet aus dem Titel der hier begrabenen Mumtaz
Mahal (Auserwählte des Palastes). In den zeitgenössischen
Schriften der Mogule wird das Mausoleum einfach
Rauza-i-Munavara (beleuchtetes Grab) genannt. Veranlasst
wurde der Bau durch den plötzlichen Tod der Lieblingsfrau
des Mogulherrschers, die als seine Vertraute auch großen
Einfluss auf die Politik genommen hatte. Ihr eigentlicher
Name war Arjumand Bano, in die Geschichte eingegangen ist
sie jedoch unter ihrem Ehrentitel. Sie war Enkelin des
Itimad-ud-Daula und Tochter von Asaf Khan, eines Bruders
der Kaiserin Nur Jahan, der Gemahlin von Jahangir. Im
Jahre 1631, als sie Shah Jahan auf einem Feldzug
begleitete, starb sie in Burhanpur an den Folgen der
Geburt ihres 14. Kindes! Sechs Monate bewahrte man ihre
sterblichen Überreste in einem Garten am Ufer des Tapti
auf, ehe sie nach Agra überführt und vorübergehend auf dem
Gelände des heutigen Taj Mahal beigesetzt wurden. Das
südlich der Mogulresidenz liegende Grundstück erwarb Shah
Jahan nach zähem Handeln vom Raja Man Singh – erst zwei
Jahre nach Baubeginn konnte man sich über den Preis
einigen. Trotz ihrer Machtfülle war es den Mogulherrschern
nämlich nicht möglich, Land für eigene Bauvorhaben ohne
weiteres zu enteignen.
Der Tod von Mumtaz Mahal leitete einen tiefgreifenden
Wandel im Leben des Herrschers ein. Feldzüge überließ er
nunmehr seinen Söhnen, unter denen sich Aurangzeb
besonders hervortat, während er sich selbst seiner großen
Leidenschaft, der Architektur, zuwandte. Bereits als
Jugendlicher hatte er im Auftrag seines Vaters die
Shalimargärten in Kashmir geplant. Somit verwundert es
nicht, dass er umgehend das Mausoleum für seine Frau in
Auftrag gab. Schon 1632 begann der Bau, 1636 war das Grab
fertiggestellt, aber erst 1643 wurde die prunkvolle
Gedenkfeier abgehalten, und nochmals fünf Jahre dauerte
es, bis der Komplex in vollem Glanz erstrahlte.
Über die Urheberschaft des Taj Mahal ist viel spekuliert
worden. Wer mochte nicht den Ruhm für sich in Anspruch
nehmen wollen, als Schöpfer dieses Meisterwerks in die
Geschichte einzugehen? Wer tatsächlich für die Bauplanung
verantwortlich zeichnete, ist bis heute nicht geklärt.
Sehr wahrscheinlich war Ustad Ahmad, der spätere Architekt
von Shahjahanabad, auch einer der Väter des Taj. Gewiss
ist es nicht, aber es handelt sich um die perfektionierte
Synthese unterschiedlicher Stilrichtungen und
Entwicklungsstufen, die ihre Wurzeln in der persischen
Bautraditionen haben und schon unter Humayun nach Indien
kamen. Dazu zählen der Garten, die Bögen und die
Doppel-Kuppeln.
Das Taj Mahal liegt am Ufer der Yamuna in einem Komplex
von etwa 600 m mal 300 m, dessen einzelne Elemente
sorgfältig aufeinander abgestimmt sind. So wurde das
Mausoleum nicht, wie sonst vielfach üblich, ins Zentrum
des Gartens gesetzt, sondern als Abschluss der von Nord
nach Süd ausgerichteten Gesamtanlage gebaut, wodurch sich
die Konzentration auf eine Blickrichtung ergab. Denn Shah
Jahan wollte weit mehr schaffen als nur ein Grabmal für
seine geliebte Frau. Nicht zuletzt etliche
Koraninschriften machen deutlich, dass der Taj ein Stück
Paradies auf Erden verkörpern sollte.
Unmittelbar am Ufer des Yamuna wurde mit großem Aufwand
über die gesamte Breite ein Fundament gelegt, auf dem das
Grabmal und die beiden Seitengebäude ihren Platz fanden.
Zum einen wollte man damit eine große ebene Fläche
schaffen, zum andern der Unterspülung begegnen, einer
Gefahr, die durch die Wahl des Prallhangs als Standort
besonders groß war. Unterhalb der Hochwasserlinie wurde
die Baugrube mit Bruchsteinen aufgeschüttet, oberhalb mit
Zielsteinen gemauert. Zudem ist das Fundament von
zahlreichen Gewölben durchzogen, die bisher nicht alle
erforscht sind und vielleicht sogar noch das eine oder
andere Geheimnis bergen.
Der Zugang erfolgt über einen allseits von Sandsteinmauern
umschlossenen Vorhof, der von Osten, Westen und Süden her
betretbar war. In die eigentliche Anlage gelangt man durch
einen gewaltigen, etwa 30 m hohen Sandsteintorbau mit tief
zurückspringendem Eingang im Zentralbogen und aufgesetzten
marmornen Chattris, der schon für sich allein ein Kleinod
der Mogularchitektur darstellt. Er besticht sowohl durch
seine ausgewogenen Proportionen als auch durch die
meisterhafte Kombination von Sandstein und Marmor und
setzt damit die Tradition monumentaler Torbauten fort, die
uns am Dili Dawarza im Fort von Agra oder am Baland
Dawarza in Fatehpur Sikri begengen. Als Rahmen legt sich
um den zentralen Bogen ein Kufiband mit schwarz
eingelassener Schrift. Vier Koransprüche sind hier
verewigt, darunter die letzten Verse aus der Sure der
Morgendämmerung (Nr. 89): Schließ dich dem Kreis meiner
Diener an und gehe in mein Paradies ein. Einen ganz
ähnlichen Vers, allerdings aus einem persischen Gedicht,
findet man am Mausoleum von Akbar in Sikandra (s. u.),
dessen Schriftbänder, wie die des Taj, von Amanat Khan
gestaltet wurden. Der Bezug zum Paradies wird erneut im
Garten deutlich. Denn als einen Garten beschreibt schon
der Koran das Paradies, eine angesichts der wüstenhaften
Region, in der sich der Islam entfaltete, leicht
nachvollziehbare Vorstellung.
Der Garten besteht aus vier großen, durch gemauerte Kanäle
gegliederte quadratische Rasenflächen, die durch Wage
wiederum vierfach unterteilt sind, ein Gestaltungsprinzip
das als Charbagh (char = vier, bagh – Garten) bekannt ist
und bereits im fast identischen Shalimar Bagh in Lahore
Anwendung fand. Dort allerdings besteht der Garten aus
zwei charbaghs, die durch einen Gebäudekomplex getrennt
werden. So ist durchaus denkbar, dass der Taj Mahal nur
die eine Hälfte einer kühnen Gesamtplanung darstellt.
Möglicherweise wollte Shah Jahan auf dem
gegenüberliegenden Ufer ein für ihn selbst bestimmtes
Mausoleum in schwarzen Marmor errichten und beide
Grabstätten durch eine Brücke miteinander verbinden.
Das einen quadratischen Grundriss mit angeschrägten Ecken
aufweisende, überwiegend aus Marmor bestehende
Hauptgebäude von 57 m Seitenlänge und gleicher Höhe liegt
auf einer 7,30 m hohen Plattform, die mit Blendnischen
verziert ist und an den vier Ecken von Minaretten begrenzt
wird, eine Anordnung, zu der das wenige Jahre vor dem Taj
fertiggestellte Grab Shah Jahangirs in Lahore das Vorbild
lieferte.
Marmor wurde sicherlich nicht nur gewählt, um den
Betrachter mit dem teuren Baumaterial zu beeindrucken,
sondern mehr noch, um mit dem Licht zu spielen, es als
dekoratives Element einzusetzen, es zu verstärken und
damit einmal mehr den Bezug zum Göttlichen herzustellen.
Denn wie in fast allen Religionen kommt dem Licht auch im
Islam eine zentrale Rolle zu. Gott ist das Licht von
Himmel und Erde heißt es z B. In Sure 24/35, und viele
weitere Beispiele für die dem Licht innewohnende göttliche
Kraft ließen sich finden. Und in der Tat vermag das Spiel
des Sonnenlichts auf den Marmorflächen bis in unsere Tage
selbst den nüchternsten Betrachter zu bezaubern.
Das Mausoleum ist jedoch nicht aus solidem Marmor gebaut.
Der Korpus aller Gebäude besteht aus gebrannten Ziegeln,
die Fundamente aus Bruchstein. Der Rohbau des Taj wurde
dann unter Zuhilfenahme von Eisenstiften mit Marmorplatten
verkleidet, eine Technik, die im Laufe der Jahrhunderte
leider zu Folgeschäden durch Rost und Rissbildung führte.
Wie beim Torbau gliedert sich die Fassade des Mausoleums
in eine nur leicht vorspringende Front mit dem
Zentralbogen und eine jeweils links und rechts
anschließende, etwa halb so breite, zweistöckig
ausgeführte Fläche mit Portalnischen. Beachtung verdient
hier die gelungene Überführung von einer rechteckigen
Basis in den kegelförmigen oberen Abschluss durch ein
asymmetrisches Netz von Rippenzwickeln.
Akzentuiert wird die Vertikale durch schmale, die
Frontalflächen abschließende dekorative Wandpfeiler, die
als Fialen mit kelchförmigen Abschlüssen über die
Oberkante fortgeführt werden. Sie sind mit einem
Zickzack-Muster aus schwarzem und gelbem Marmor verziert,
das sich in den Fassadenkassetten wiederholt. Außer den
Kassetten werden auch Ziernischen – vor allem innerhalb
der Torbögen und Portalnischen – zur Auflockerung der
Wandflächen verwendet.
Die Zwickel zwischen den Bögen und der rechteckigen
Einfassung sind reich mit Einlegearbeiten dekoriert, wobei
florale Motive, die an allen Bauwerken immer wieder
anzutreffen sind und wohl in Beziehung zur Gartenanlage
gebracht werden können, vorherrschen. Die Blumenarabesken
bestehen aus Edelsteinen, insbesondere aus Achat, Jaspis,
Karneol, Lapislazuli, aber auch Koralle und Perlmutt
fanden Verwendung. Da es sich um ein Mausoleum handelt,
sind die Ecktürme beim Taj nur schmückendes Beiwerk, vor
allem dazu bestimmt, die starke Ueberhöhung des
Zentralbaus – mit 57 m bis zum Scheitel der Kuppel ist er
ebenso hoch wie breit – optisch zu mildern. Auffallend ist
der hohe kreiszylindrische Tambour, ohne den die Kuppel
hinter der überhöhten Zentralfassade und zwischen den eng
zusammenstehenden Dachpavillons nicht richtig zur Geltung
kommen würde.
Die Kuppel selbst hat eine recht ausgeprägte Zwiebelform,
die eine besondere Herausforderung an die Baumeister
darstellte, denn nur durch Zugstangen gelang es ihnen, den
Horizontalschub aufzufangen. Die den Holzbauten entlehnte,
aus Zentralasien stammende Form wurde bereits 1405 im
Grabmal des Timur in Samarkand in Stein umgesetzt, später
dann im Mausoleum des Humayun in Delhi übernommen, wobei
dort die Wölbung noch weniger ausgeprägt war. Aber noch
eine weitere Verwandtschaft lässt sich zwischen diesen
Bauwerken und dem Taj feststellen: Die Kuppeln sind Schein
– oder Doppelkuppeln. Der ungenutzte und unsichtbare Raum
zwischen dem Deckenabschluss und der Spitze der Kuppel ist
Beim Taj Mahal wesentlich großer als der zentrale
Innenraum des Mausoleums, wodurch die funktionale Relation
zwischen dem Inneren und dem Äußeren verlorengegangen ist.
Unter dem Einfluss der betont atektonischen Baukunst der
Hindus wurden auch die islamischen Bauten Indiens zu
monumentalen Skulpturen, folgert der Architekt Andres
Volwahsen mit Blick auf das Ausmaß der ebenfalls durch den
Innenraum nicht zu rechtfertigenden Tempeltürme
hinduistischer Sakralbauten. Die Seitenflügel werden durch
vier Pavillons gekrönt, die einen originär indischen
Beitrag zu diesem sonst persischen Traditionen
verpflichteten Bauwerk liefern.
Die vier Eckminarette strecken den an sich kompakten Bau
und sind in ihrer Gliederung genau auf die Hauptfassade
abgestimmt. So korrespondieren die von Konsolen getragenen
Galerien mit den entsprechenden Gesimsen des Mausoleums
und die Pavillons an der Spitze mit jenen des Hauptbaus.
Das Innere besteht aus einer zentralen, oktogonalen Kammer
und vier in den Seitenflügeln liegenden kleineren Räumen.
Das Achteck wurde ganz bewusst gewählt, symbolisiert die
Zahl doch die acht Stufen des Paradieses.
In der Mitte des Hauptraums stehen, von einem ebenfalls
achteckigen, durchbrochenen Marmorgitter umschlossen, die
beiden Kenotaphe des Herrscherpaars, wobei das von Mumtaz
Mahal das Zentrum einnimmt. Dies könnte als Beweis dafür
gesehen werden, dass Shah Jahan das Mausoleum nicht für
sich selbst geplant hatte und tatsächlich seine eigene
Grabstätte am gegenüberliegenden Ufer bauen wollte.
Andererseits jedoch findet man dieselbe Anordnung im
Mausoleum des Itimad-ud-Daula, wo das Kenotaph der
verstorbenen Frau ebenfalls die zentrale Position
einnimmt.
Die eigentlichen Gräber befinden sich in einer Gruft
darunter. Die Trennung von Kenotaph und Grab waren damals
üblich, um dem Volk einerseits die Verehrung der
Verstorbenen zu ermöglichen, andererseits aber die für den
Bürger unüberbrückbare Distanz zum Herrscherhaus auch nach
Tod zu wahren. Möglicherweise handelt es sich bei den
Ruhestätten in der Krypta nur um Scheingräber, denn
darunter liegen weitere, allerdings zugemauerte Gewölbe.
Die beiden Marmorkenotaphe sind überreich mit kunstvollen
Einlegearbeiten versehen. Die Blumenornamente aus Koralle,
Lapislazuli, Kupfer, Jade, Onyx, Achat, Jaspis und Türkis
zählen zu den erlesensten Arbeiten der Mogulepoche, ebenso
die Marmorbasreliefs mit Blumenmotiven an den Innenwänden
der Grabkammer. Zahlreiche Koranverse, die das Jüngste
Gericht zum Inhalt haben, zieren Kenotaphe und Wände.
Diese Thematik lässt sich in Verbindung mit der Errichtung
des Mausoleums auf einer erhöhten Plattform bringen. Nach
islamischer Tradition würde Gott am Tag des Jüngsten
Gerichts von einem Thron über dem Garten des Paradieses
sein Urteil fällen. Somit könnte der Taj auch als das
Abbild des göttlichen Throns interpretiert werden und
erhielte damit eine weit über seine Funktion hinausgehende
spirituelle Dimension, wie sie auch der buddhistischen und
hinduistischen Sakralarchitektur zu eigen ist.
Flankiert wird das Hauptgebäude von zwei symmetrisch
angeordneten Sandsteinbauten, der Grabmoschee an der
Westseite und dem Gasthaus an der Ostseite. Letzteres
deutet auf den Aufwand hin, mit dem die Zeremonien für
Mumtaz Mahal begangen wurden. Wie zu Lebzeiten der
Herrscherin versammelte sich der gesamte Hof an der
Grabstätte, um mit Musik, Lesungen aus dem Koran und
Lobpreisungen das Andenken der Verstorbenen wach zu
halten. Die von jeweils drei Kuppeln gekrönten Bauten sind
in ihrer Dekoration sparsamer, weisen jedoch interessante
Details auf, etwa den im Schachbrettmuster ausgeführten
Tambour oder die Gliederung der Ecktürme in Kassetten.
Ihrer ursprünglichen Aufgabe, zur Harmonie des
Gesamtensembles beizutragen, können sie heute allerdings
nicht mehr gerecht werden, da hohe Bäume den Blick von der
Hauptachse aus verwehren. |