In
Rajasthan, Indiens flächenmässig größtem Bundesland ist
nicht nur alles ein wenig gewaltiger und ausgedehnter,sondern
vor allem auch schöner und imposanter als anderswo.
Rajasthan ist eine Region voll traditionsreicher
Kulturen, unglaublicher Kunstschätze und sorgsam
restaurierter Zeugnisse einer glanzvollen Vergangenheit.
Dabei ist das Angebot an unterschiedlichen Reisen und
Aktivitäten nahezu unerschöpflich: Egal ob
abenteuerliche Erlebnistour durch den Rhantambore
Nationalpark, Trekking im Aravalli-Gebirge,
Kamelsafari durch die Thar-Wüste
oder eine majestätische Rundreise durch die Palaststädte
der alten Maharadschas, sowohl Natur-, Kultur-
als auch Geschichtsinteressierte kommen
hier voll und ganz auf ihre
Kosten.
Auf einer Gesamtfläche von ca. 343.000 km, von denen
allein die Wüste Thar mit ihren faszinierenden
Wanderdünen rund 196.000 km einnimmt, zeigt sich
Rajasthan auf den ersten Blick als relativ rauhes und
trockenes Gebiet. Zweifelsohne ist das Klima aufgrund
der immensen Temperaturschwankungen von bis zu 50 Grad
Celsius hier härter als anderswo und hat die Bewohner
über Jahrtausende zu einer halbnomadischen Lebensweise
gezwungen. Der Mangel an Vegetation wird allerdings seit
jeher durch den Reichtum an Bodenschätzen kompensiert.
Granit-, Silber-,Zink- und
Erz-Vorkommen
sind in Rajasthan ebenso vertreten wie
Teeplantagen oder Reisfelder in anderen Teilen Indiens.
Darüber hinaus breitet sich auf der anderen Seite der
Berge eine Naturlandschaft aus, die der Wüste kaum
kontrastreicher entgegen stehen könnte. So gibt es eine
Vielzahl von dichten Wäldern, grünen Tälern und
fruchtbaren Feldern. Ferner finden sich vieler Orts
große Seen in denen majestätische Palastinseln mit
blühenden Gärten schwimmen, die von einer Zeit zeugen in
der Rajasthan noch von Fürstenfamilien beherrscht wurde.
Doch Rajasthans Geschichte reicht noch viel weiter
zurück. Wie auch jüngste Ausgrabungsfunde in Kalibangan,
im Distrikt Ganganagar, beweisen, existierten die
ältesten Kulturen im Norden der Provinz schon vor der
Hochkultur des Indus-Tales. Die spätere Geschichte
Rajasthans ist eine Geschichte vieler Königreiche und
vielfältiger Auseinandersetzungen zwischen eben diesen.
Die Rajputen-Herrscher
regierten das Land mit eiserner Hand und führten
unzählige Schlachten gegen die Türken, die mächtigen
Sultane aus Delhi und später auch gegen die Moghule.
Letztere konnten sich jedoch im 16. Jahrhundert
erfolgreich in Nordindien festsetzen, und die Obergewalt
über die 36 regierenden Stämme erkämpfen. Als die Briten
den Kontinent im Jahre 1757 betraten und den Osten
Indiens eroberten, konnte Rajasthan ihnen noch
standhalten, doch zu Beginn des 19. Jahrhunderts gewann
die Kolonialverwaltung auch hier die Oberhand. Im Zuge
der Indischen Unabhängigkeit ging dann aus den 23
verbliebenen, jedoch weitgehend machtlosen Fürstentümern
des alten Rajputen-Reichs,
der heutige Bundesstaat Rajasthan hervor, welcher
seither Reisende aus aller Welt in seinen Bann zieht.
Landschaftlicher Überblick
Nicht nur Wüsten und Berge, was für ein Land! Wie sieht
das Land Rajasthan von oben aus, etwa von einem
Satelliten? Die riesige Ebene der Flüsse Ganges und
Yamuna, an der im Südwesten Delhi liegt, ist zu erkennen.
150 km weiter südwestlich von Delhi wird die
Erdoberfläche gebirgig. Und ungefähr dort beginnt der
Staat Rajasthan. Viele Touristen verbringen im Neemrana
nahe der Nationalstraße ihre erste Nacht in diesem Land.
Sie haben von Wüsten gehört und wundern sich nun über
den Blick auf ein licht bewaldetes Mittelgebirge, die
Aravallis.
Einige Daten
Diese Region ist ein Staat der Republik Indien, ein
Binnenstaat, ohne Meeresküste. Es ist in der Fläche der
größte der indischen Staaten (seit Chattisgarh vom noch
größeren Madhya Pradesh abgetrennt wurde), 342 000 km2
groß, mit ungefähr 700 km West-Ost Entfernung und 200
000 km2 Wüstengebiet. Dieses Bundeland grenzt im Westen
an Pakistan. Indiens erbittert feindlichen Bruder, im
Norden an den fruchtbaren indischen Staat Punjab und an
Haryana, im Osten an Uttar Pradesh und an Madhya
Pradesh, im Süden an Gujarat.
Berge und Felsen
Die Aravallis sind ein viel gegliederter Gebirgszug.
Berge aus sehr vielen Neben-und Seitenerhebungen –
wahrscheinlich steht deshalb der Name im Plural. Das
ganze Gebirge zieht sich in südwestlicher Richtung.
Seine nördlichen einzelnen Erhebungen. ridges genannt,
finden sich schon im Stadtgebiet von Delhi, südlich
läuft die Höhenkette bis Mount Abu, knapp nördlich der
Ebenen von Gujarat. Der höchste Berg Guru Shikhar, I 722
m hoch bei Mount Abu. Ist eine Art krönender Abschluß.
Streckenweise mit grünem trockenem Wald und Busch
bedeckt (nordindischer Jungle ohne Lianen und Palmen),
öfter auch streng mit kahlen Hügeln, manchmal mit Hängen
voller Geröll oder mit schroffen großen Felsen bestückt,
sind diese Berge ein ziemlich unwirtliches Gelände, das
kaum Landwirtschaft erlaubt. Diese Wälder entsprechen
überhaupt nicht dem Bild, Europäer nach der Lektüre von
Kiplings “Dschungelbuch” haben. Sie sind im Nordwesten
Indiens wegen der Klimaunterschiede zwischen Winter und
der heißen Zeit und wegen der Trockenheit lichter als
die Wälder in den feuchtheißen Zonen, die Kipling
beschreibt.
The Great Indian Desert
Als riesige Fläche von der Form eines etwas schiefen
Halbmondes ist das ebene Wüstenland westlich der
Aravallis aus der Satellitenhöhe zu sehen. Es ist die
Wüste Thar, auch “The Great Indian Desert” genannt. Von
Osten nach Westen nimmt die Trockenheit, Dürre und Hitze
zu, östlich sind dornige Büsche und ausdauernde Bäume
vorhanden, die ihre Existenz in der vor Hitze
flimmernden Wüste mit tiefen Wurzeln sichern. Die Thar
ist eine semiaride Halbwüste, die in der Regenzeit
stellenweise ergrünt. Man überquert Flüsse, die den
größten Teil des Jahres austrocknen. Allerdings: Immer
mehr Kanäle zur Bewässerung mit Wasser aus dem Himalaya
sind gebaut worden und werden gebaut, um Landwirtschaft
in der Wüstenzone zu ermöglichen, sodass der Reisende
oft über Äcker und Gärten staunt.
Westlich von Bikaner und Jodhpur findet man immer
weniger Pflanzenwuchs, Sanddünen, eindrucksvoll hoch und
golden im Licht, türmen sich an manchen Stellen auf. Das
Reich von Jodhpur hieß früher Marwar, das bedeutet “Land
des Todes”: Für Wüstendurchquerer in alter Zeit war es
wirklich eine lebensgefährliche Zone. Gar nicht
erkennbar vom Satelliten aus ist die Grenze zu Pakistan,
die westlich von Jaisalmer und Barmer durch die
Thar-Wüste verläuft.
Das grüne Rajasthan
Der Blick vom Satelliten geht wieder nach Osten, vom
Mount Abu aus etwa 300 km. Auch dort ist Rajasthan.
Dunkelgrün bewachsenes Gelände, ein breiter Fluss: Dort
östlich der Aravallis sieht die Welt anders aus,
fruchtbar, mit viel Ackerbau und einem breiten Strom,
dem Chambal, der nicht austrocknet und zum See
aufgestaut ist. Das ist die bewässerte Hadoti-Ebene, bei
der Stadt Kota, die sich bis zur Grenze des
Nachbarstaats Madhya Pradesh erstreckt. Diese
innerindische Grenze ist natürlich vom Satelliten aus
nicht zu sehen, fällt aber auch der Erde bis auf eine
Straßen-zollstation nicht weiter auf.
Über die Aravallis ist noch zu sagen. Dass sie zu den
ältesten Gebirgen der Erde gehören, sozusagen Urgestein
sind, zum Teil mehr als drei Millionen Jahre alt. Neben
Gneisen und Granit treffen die Geologen allerdings auch
auf weißen Markrana-Marmor. dessen riesige Blöcke man
auf der Nationalstraße nach Delhi auf ächzenden, fast
zusammenbrechenden, langsamen Lastwagen oft vor sich
sieht.
In diesen alten Gebirgsformen, von den Geologen
“Grünsteingürtel” genannt, finden sich wertvolle
Bodenschätze wie Eisenerze, Kupfer, Glimmer, sogar Gold.
Geologisch viel später entstanden die reichen
Sandsteinvorkommen Rajasthan. Direkt nördlich von
Jodhpur kann man den Abbau dieses traditionell sehr
beliebten Baumaterials (rötlicher bis honiggelber Farbe)
in riesigen Steinbrüchen beobachten.
Das Thema der seismischen Aktivität, der Erdbeben, soll
hier noch kurz erwähnt werden. Zum Glück ist der größte
Teil Rajasthan davon nicht betroffen, anders als der
benachbarte Staat Gujarat, der über einer Störung durch
Überschiebung zwischen der asiatischen und der indischen
Kontinentalplatte liegt (dort geschah 2001 das große
Beben auf der Kachchh Halbinsel).
Hitze, Kälte – wenig Regen: das
Klima
Über das Wetter zu reden, gehört in unseren westlichen
Breiten meist zum “smalltalk”, ist zweckfreie
Zeitüberbrückung. Man weiß ja. wie man sich dem Klima
gegenüber verhält, Dieses Verhaltensmuster verliert
seinen Sinn, wenn man indischen Boden betritt. Hier ist
der Wetterrhythmus anders.
Einige Kenner nennen die nordindischen Jahreszeiten
“Winter, Sommer und Monsun”. Das ist nicht ganz falsch.
Fangen wir Ende Oktober/November an: Der indische Winter
beginnt gerade. Aus dem Hoch über Zentralasien strömt
kalte Luft in den Süden. Die über dem indischen Hochland
herrschenden, nach Osten gerichteten Windströmungen
leiten zwar einen Teil dieser Nordwinde ab über den Golf
von Bengalen, aber im weiter westlich gelegenen
Rajasthan kommt das nicht zur Wirkung. Wenn es November
wird, bekommt das Land ungebremst die kühlen Winde von
Norden – bis ungefähr Ende Februar. Weil die Luft
trocken ist, die Sonne über Tag meist ohne Wolken hell
scheint, steigen die Mittagstemperaturen auf 20 bis 25
C. In der Nacht fallen die Grade manchmal bis nahe an
den Gefrierpunkt. Dies ist die beste Reisezeit. Man muss
nur warme Kleidung einschließlich Wollsocken im Gepäck
haben, denn eine richtige Heizung ist oft nicht
vorhanden. Im Norden Indiens ist kälter ist als im Süden.
Der Sommer ist völlig anders als in Europa. Das
asiatische Festland erwärmt sich schnell, schneller als
der Indische Ozean und das Arabische Meer. Schon im März
wird es Immer wärmer, vollends im April steigen die
Temperaturen, bis sie schließlich 45 C und höher
erreichen. Das ist nichts für den eifrigen Touristen!
Wer will schon ein Land nur vom klimatisierten Auto aus
oder nur im gekühlten Luxushotel erleben aber wenn man
billiger reisen will, dann sind die Urlaub &
Reiseangebote gerade zu dieser Zeit recht günstig.
Auch die Inder leiden unter der Hitze, in Delhi, wo es
zwischen den Mauern besonders unangenehm ist. Familien,
die es sich leisten können, schicken ihre Schwangeren
und Kleinkinder aufs Land, am besten an den Fuß des
Himalayas. In Rajasthan ist der einzige Ort mit milderen
Hitzegraden Mount Abu. Alle sehnen sich nach Abkühlung,
den ganzen Mai, oft ein gutes Stück vom Juni, bis in den
Juli hinein. Das riesige Tief, das über dem
hitzebrütenden Subkontinent entsteht, saugt äquatoriale
Luft an. Es entsteht eine Westwindströmung, die sich
ihrem Weg über den Ozean mit Feuchtigkeit mehr und mehr
anreichert – erkennbar an den hochaufragenden
Wolkenbergen.
Im Juni atmen alle Bewohner Indiens angesichts dieser
bis zu 6000 Meter hohen Wolken
auf – es kann nicht mehr lange dauern, bis der Monsun
(von arabischen Wort mausim, Jahreszeit) einsetzt. Die
feuchten Luftmassen stoßen auf die Westküste, zuerst
entladen sich die Regenströme in Südindien. Wenn die
feuchtigkeitsbeladene Luftströmung bis zum Nordosten
Indiens gelangt ist, wird sie vom Himalaya-Gebirge
gezwungen, Westkurs zu nehmen, sie beregnet also die
Ganges-Yamuna-Ebene und auf ihrem weiteren Weg
schließlich – endlich! Der Monsun trifft oft erst Wochen
nach seinem Auftritt in Südindien im Norden ein. Und es
kann sein, dass er ganz ausbleibt. Das ist für diese
Region dann ein Schreckensjahr, denn die gesamte
Landwirtschaft hängt vom Monsun ab, davon, dass er die
großen und kleineren Wasserreservoire füllt. In den
neunziger Jahren fehlte der Monsun mehrere Jahre, es
herrschte eine grauenhafte Dürre, das Vieh starb zu
Tausenden, die Menschen mussten durch Trinkwasser aus
anderen Bundesstaaten versorgt werden, auch Futtermittel
für das gerade noch überggebliebene Vieh wurden auf
hochbeladenen Lastwagen in die Region geschafft.
2006 hingegen fiel der Monsun überreich aus, es gab
große Überschwemmungen – das Wüstenstädtchen Barmer war
zeitweise eine lnsel. Man sieht daraus, wie
unberechenbar der Monsun ist, wie er den Bewohnern immer
neue Überlebensstrategien abfordert. In manchen Jahren
beträgt in den Wüstenregionen die durchschnittliche
Niederschlagsmenge jährlich nur etwa 25 mm (die
Durchschnittsmenge in Deutschland ist etwa 700 mm!).
Die nasse Jahreszeit dauert in diesen Bundeslan meistens
ungefähr drei Monate. Das heißt nicht, dass Dauerregen
herrscht. In einem guten Jahr ist die Luft feucht,
manchmal gibt es Regenschauer. Die Luft ist warm, kann
schwül und drückend sein. Textilien und Papier fühlen
sich feucht an.
Durch die immer dichter werdende Besiedlung, die mehr
Ackerbau, Abholzung von Bäumen und Bewässerung zur Folge
hat, gibt es Schwierigkeiten durch Erosion, Versalzung
des Bondens durch unsachgemäße Bewässerung und
Überweisung, besonders durch Ziegen. Die Wüste rückt
immer mehr vor, die fragile Ökonomie der Halbwüste
bricht zusammen, wenn nicht durch Bau von Wasserkanälen
Hilfe ermöglicht wird. Die Monsunregen reichen nicht aus. |